Dobrindt: Kunden von Tuifly sollen Ansprüche geltend machen

Nach massiven Flugausfällen beim Ferienflieger Tuifly und zum Teil auch seinem Partner Air Berlin schaltet sich nun die Politik ein.
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Menschenleer: Die Check-In-Schalter von Tuifly bleiben heute geschlossen.
dpa Menschenleer: Die Check-In-Schalter von Tuifly bleiben heute geschlossen.

Nach massiven Flugausfällen beim Ferienflieger Tuifly und zum Teil auch seinem Partner Air Berlin schaltet sich nun die Politik ein.

Hannover - Jetzt schaltet sich die Politik in das Flugchaos ein: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) rät geschädigten Urlaubern von Tuifly, Schadenersatzansprüche bei dem Ferienflieger anzumelden.

Er könne allen Kunden nur raten, ihre rechtlichen Ansprüche geltend zu machen, sagte der CSU-Politiker. Das Unternehmen beruft sich auf höhere Gewalt und will Betroffene nicht entschädigen.

Weil sich viele Crew-Mitglieder bei Tuifly kurzfristig krank gemeldet haben, sind in den vergangenen Tagen zahlreiche Flüge ausgefallen. Betroffen war und ist auch Air Berlin, denn ein Drittel der Tui-Flotte fliegt samt Besatzung für die Berliner. Es sei keine akzeptable Situation, die man gerade vorfinde, sagte Dobrindt. Er forderte alle Beteiligten zu raschen Gesprächen auf. Der Konflikt dürfe nicht auf dem Rücken der Kunden ausgetragen werden.

"Runder Tisch" mit Unternehmens- und Belegschaftsvertretern

Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) lud alle Beteiligten für den Abend zu einem "Runden Tisch" mit Unternehmens- und Belegschaftsvertretern der Tuifly. Mit dabei sein sollen Vertreter der Geschäftsführung, des Aufsichtsrats, des Flughafens, der Gewerkschaft Verdi sowie der Pilotenvereinigung Cockpit, sagte Ministeriumssprecherin Sabine Schlemmer-Kaune.

Die Kritik an der Haltung der Tuifly, betroffene Passagiere mit Hinweis auf höhere Gewalt nicht zu entschädigen, nahm am Freitag zu. "Diese Argumentation ist für uns nicht nachvollziehbar: wir erkennen nicht, warum die Passagiere für Flugausfälle haftbar gemacht werden", sagte die Ministeriumssprecherin, die Tui zu mehr Kulanz riet. Eine Konzern-Sprecherin hatte am Vortag betonte: "Die massenhaften und äußerst kurzfristigen Krankmeldungen sind ein außergewöhnlicher und nicht vermeidbarer Umstand im Sinne von höherer Gewalt."

Kritik kam auch vom Tourismusforscher Torsten Kirstges, der den Tuifly-Mutterkonzern Tui vor einem Imageschaden warnte. Mit Blick auf die Entschädigungsfrage sagte er der Deutschen Presse-Agentur: "Da hätte man sich besser bedeckt gehalten." Er gehe davon aus, dass die Gesellschaft entsprechende Prozesse verlieren werde und dann doppelt am Pranger stehe.

Nach seiner Einschätzung liegt die ausreichende Personalausstattung in der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers. Tausende Kunden seien betroffen und zu Recht verärgert: "Sie führen die Unannehmlichkeiten direkt auf die Tui als Veranstalter zurück, weil der ja schließlich auch seine eigene Fluggesellschaft einsetzt."

Bisher habe man rund 500 Ansprüche auf Ausgleichszahlung verärgerter Kunden auf dem Tisch, sagte der Geschäftsführer des Flugrechteportals Flightright, Philipp Kadelbach, dem "Südkurier". Sollte es weiter zu Flugausfällen kommen, rechne man innerhalb kurzer Zeit mit 1500 bis 2000 weiteren Anträgen.

Lesen Sie hier: Ferien-Frust bei Tuifly: Was Reisende jetzt wissen müssen

Mehr Kulanz fordern auch die Reisebüros, die für tausende Urlauber Stornierungen oder Umbuchungen vornehmen müssen, ohne dass der Mehraufwand vergütet wird. Die aktuellen Probleme dürften nicht auf dem Rücken der Reisebüros ausgetragen werden, erklärte der Branchenverband DRV. Mitarbeiter der Büros seien Leidtragende bei der Tuifly-Krise.

"Wir versuchen alles, um die Auswirkungen auf die Gäste so gering wie möglich zu halten", sagte Tuifly-Aufsichtsratschef Henrik Homann der "Bild"-Zeitung. "Wir wissen, dass das leider momentan nicht bei allen Kunden gelingt." Piloten müssten keine Einbußen durch neue Verträge fürchten. "Die Firma bleibt bestehen, die Tuifly behält ihren Sitz in Deutschland, die Tarifverträge bleiben bestehen."

Vor einer Woche war bekanntgeworden, dass Tuifly in eine neue Dachholding mit Etihad integriert werden soll. Arbeitnehmervertreter befürchten Job-Verluste. Seitdem führen kollektive Krankmeldungen der Besatzungen zu zahlreichen Flugausfällen und massiven Verspätungen. Betroffen war und ist auch Air Berlin. Dort drohen weitere Ausfälle, denn ein Drittel der Tui-Flotte fliegt samt Crew für die Berliner.

"Das Treffen soll deeskalierend wirken"

Niedersachsens Wirtschaftsminister will beim "Runden Tisch" darauf hinwirken, dass die für Ende Oktober geplante Entscheidung über die beabsichtigte Holding auf ein späteres Datum verschoben wird, sagte die Sprecherin. "Das Treffen soll deeskalierend wirken und den Druck aus der Situation herausnehmen; es geht darum, dass die Akteure sich austauschen über ihre Ängste und Nöte."

Tuifly versucht mit gemieteten Maschinen und Crews einen Teil der Flugausfälle aufzufangen. Tuifly hatte am Donnerstagabend zunächst mitgeteilt, den Flugbetrieb Freitag weitgehend einzustellen. 108 Flüge sollten demnach ausfallen; gut 9000 Passagiere seien betroffen.

Auf Unverständnis stießen die Tuifly-Turbulenzen auch an deren Heimatbasis Hannover. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer der niedersächsischen Metallarbeitgeber (NiedersachsenMetall), sprach von einer "Form des versteckten Arbeitskampfes" und meinte: "Hier wird quasi gestreikt." Krankheit werde offensichtlich instrumentalisiert, um gegen mögliche unternehmerische Beschlüsse zu revoltieren: "Die Krankmeldung als Instrument einzusetzen, um eigene Ziele zu erreichen, untergräbt die Glaubwürdigkeit von Krankmeldungen insgesamt; das schadet jedem, der wirklich erkrankt ist."

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