Diözese und Unternehmensberatung: Umsatz, Profit und Amen
STUTTGART - Die Diözese Rottenburg-Stuttgart hat eine eigene Unternehmensberatung gegründet. Deren Sprecher Manfred Dahm will mit christlichem Knowhow drei Millionen Euro pro Jahr erlösen.
Jesuitenpater Rupert Lay versteht sich als Unternehmensberater, ähnlich der frühere Andechser Prior Pater Anselm Bilgri, einzelne Klöster bieten Schweige-Wochenenden für Manager an. Jetzt betreibt die Diözese Rottenburg-Stuttgart mit der „Kirche und Wirtschaft Aktiengesellschaft“ (Kiwi AG) sogar eine Beratungsfirma.
AZ: Muss sich die die Kirche beweisen, dass sie mit der Wirtschaft per du ist?
MANFRED DAHM: Vielleicht ja, vielleicht aber auch nicht. Menschen wie Pater Anselm Bilgri konnten eine große Nachfrage in der Wirtschaft erzeugen, und wir haben uns gefragt: „Warum ist das so, warum brauchen die Manager die Unterstützung spirituell besetzter Persönlichkeiten? Wir denken, dass den Unternehmen die Sinn-Dimension fehlt.
Verstehe ich Sie richtig, dass es eher die Manager selbst sind, die solche Beratungs-Angebote nachfragen und weniger die Firmen?
Genau so ist der Zustand heute. Wir gehen aber davon aus, dass auch Firmen die Sinn-Dimension brauchen.
Widersprechen sich Profitstreben und christliche Nächstenliebe nicht?
Eigentlich nicht. Ich zitiere mal eine Gallup-Studie, wonach 13 Prozent der Beschäftigten zufrieden mit ihrer Arbeit sind. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass 87 Prozent unzufrieden sind, wobei die Studie auch festgestellt hat, dass 20 Prozent schon mit ihrer Arbeit abgeschlossen haben und nur noch physisch in der Firma sind. Der Produktivitätsverlust, der dadurch entsteht, summiert sich auf 200 Milliarden Euro. Das ist schade und wir glauben, dass diese Unzufriedenheit nicht von Haus aus da ist.
Sie wollen den Beschäftigten Sinn vermitteln, schön und gut. Was würden Sie aber raten, wenn ein Unternehmen eine Fertigungsstätte schließen und die Arbeit in Asien erledigen lassen wollte?
Wir würden viel früher ansetzen und nicht an der Frage kleben bleiben, was kostengünstig ist. Wir würden vielmehr fragen: Was will das Unternehmen eigentlich? Dafür braucht es nicht nur Daten, Zahlen, Frakten. Dann würden wir überlegen, welche Möglichkeiten hier für den Standort bestehen, wie die Produktivität gesteigert werden kann.
Wenn Sie mit dem Ansatz antreten, die Produktion müsse auf jeden Fall erhalten bleiben, werden Sie kaum Aufträge bekommen. Schließlich wollen Firmen ja ergebnisoffen beraten werden.
Aus unserer Wahrnehmung arbeiten wir ergebnisoffen. Es ist ja nicht gesagt, dass ein Standort auf jeden Fall erhalten werden muss.
Andersherum: Wie würden Sie reagieren, wenn ein Kunde von vorneherein verlangen würde, einen Teil der Belegschaft abzubauen?
Mit so einem Ziel würden wir nicht anfangen. Wir erleben ja auch in Coachings immer wieder, dass sich Manager fragen: „Wohin führt das alles? Was passiert denn eigentlich, wenn die Kosten runter sind?“ Aber wir sind kein Feind des Profits. Die Frage ist nur, wie er entsteht.
Laufen Sie nicht Gefahr, dass sich Unternehmen mit Ihrer Hilfe ein christliches Mäntelchen umhängen, während die wahren Firmenziele weitgehend inhaltsleer bleiben?
Natürlich kommt es darauf an, nicht nur mal ein Manifest zu unterzeichnen, sondern da muss einfach auch mal ein Henkel an die Tasse. Wir werden uns deswegen im Januar mit rund 30 Managern zurückziehen und darüber sprechen, wie Werte umgesetzt werden können. Da sind Vorstände von Banken und anderen Unternehmen dabei, auch mittelständische Unternehmer.
Wie schnell soll die Kiwi AG rentabel werden und welche Umsätze wollen Sie erzielen?
Wir wollen 2011 eine schwarze Null schreiben. Gewinne werden wir übrigens fürs Gemeinwohl einsetzen, etwa für die Beratung von Unternehmen, die sich das sonst nicht leisten könnten. In fünf Jahren wollen wir mindestens 20 Berater beschäftigen und einen Umsatz von drei Millionen Euro schaffen. Wir wollen außerdem einen Standard am Markt etablieren, den sinnzentrierten Ansatz, den man klar vom Ansatz anderer Beratungsunternehmen unterscheiden kann.
Interview: Susanne Stephan
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