Digitale Verweigerer

Ein Leben ohne iPhone – geht das überhaupt noch? Arno Makowsky über den Kult, der um das neue Smartphone gemacht wird.

Man hat gelegentlich ja den Eindruck, dass die Welt um einen herum immer merkwürdiger wird. Im Nachtfernsehen laufen Quizshows für Schwachsinnige, Jürgen Klinsmann trainiert den FC Buddha und in der Fußgängerzone brabbeln Menschen sinnloses Zeug vor sich hin.

Seit einiger Zeit gibt es ein neues Indiz für die zunehmende Verwirrung der Menschheit. In der U-Bahn oder in der Kantine sitzen Leute mit grenzdebilem Blick und glotzen in ein schwarzes Gerät, über das sie gleichzeitig mit dem rechten Zeigefinger streichen, so als ob sie ein ein Buch weiterblättern würden. Wenn Sie solchen Menschen begegnen, seien Sie unbesorgt, das sind harmlose Zeitgenossen. Sie haben nur seit kurzem ein iPhone.

Ohne iPhone, so bekommen Digital-Banausen wie ich von den Geräte-Streichlern ununterbrochen erklärt, ist das Leben praktisch sinnlos. Man kann zum Beispiel nicht jederzeit sofort nachschauen, wie jetzt gerade das Wetter in Thiruvananthapuram in Indien ist. Auch wer im Bus Richtung Büro dringend auf Google Earth recherchieren muss, wie das Ferienhaus auf Spiekeroog von oben ausschaut, ist ohne iPhone vollkommen hilflos.

Die Geräte-Streichler sind übrigens enorm erleichtert, dass seit Freitag das iPhone G3 verkauft wird. Weil das nämlich „zusätzlich zu EDGE auch die Standards UMTS/HSDPA unterstützt“. Was für ein Glück!

Ich werde trotzdem versuchen, mein Leben weiterhin ohne UMTS/HSDPA zu bewältigen. Auch wenn digitale Verweigerer womöglich bald als merkwürdige Spinner gelten.

Der Autor ist Chefredakteur der Abendzeitung