Die Wahlbeobachter
Auch unser Wahlsystem hat einige ungerechte Seiten - AZ-Aktuell-Ressortchef Frank Müller über die Debatte ums Wahlrecht
Schon recht: In Deutschland gibt es keine obskuren Wahlcomputer und auch die Fälle verschwundener Briefwahlstimmen und manipulierter Listen halten sich in Grenzen. Was also wollen sie dann hier, könnte man fragen: die Wahlbeobachter der OSZE, die ansonsten verdächtige Urnengänge in diktatorischen Zwergstaaten zu überwachen pflegen?
Doch langsam, so leicht ist die Sache nicht. Auch in einem Wahlsystem, das die Auszählung jeder einzelnen Stimme doppelt und dreifach kontrolliert, können Ungerechtigkeiten stecken. Und jedes Modell auch in der traditionsreichsten Demokratie ist immer nur eine Annäherung: ein Versuch, Millionen von abgegebenen Stimmen auf ein paar hundert gerecht vergebene Parlamentssitze aufzuteilen.
Dabei zählt mehr als die Mathematik. Auch in Deutschland gibt es Wählerstimmen, die unterschiedlich viel wert sind – je nachdem, in welchem Wahlkreis man wohnt. Es gibt Überhangmandate, die den Wählerwillen zu verfälschen drohen. Und es gibt eine Fünf-Prozent-Hürde, die dafür sorgt, dass eine Partei mit 4,9 Prozent nicht ins Parlament darf. Doch wer so viele Stimmen bekommt, hat fast jeden zwanzigsten Wähler hinter sich gebracht. Wollen wir wirklich, dass all diese Stimmen unter den Tisch fallen? Unsere doch recht statische Politiklandschaft könnte etwas frisches Blut ganz gut gebrauchen: sei es von der Piratenpartei oder auch von Paulis Freier Union. Der Preis wäre, dass auch Sektierer und Nazis leichter in Parlament kommen. Doch die zerlegen sich dort meist sowieso alleine.