Die Rezession ist da

Jetzt ist die Katastrophe amtlich bestätigt. Die Wirtschaft Deutschlands schrumpft weiter, und die Prognosen sind düster: „Wir könnten die schlimmste Rezession der Nachkriegszeit erleben“
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Es wird düster für die Wirtschaft - die Prognosen sind verheerend wie lange nicht mehr.
dpa Es wird düster für die Wirtschaft - die Prognosen sind verheerend wie lange nicht mehr.

MÜNCHEN - Jetzt ist die Katastrophe amtlich bestätigt. Die Wirtschaft Deutschlands schrumpft weiter, und die Prognosen sind düster: „Wir könnten die schlimmste Rezession der Nachkriegszeit erleben“

Jetzt ist es amtlich. Die deutsche Wirtschaft ist nach dem zweiten auch im dritten Quartal des laufenden Jahres geschrumpft, und zwar um 0,5 Prozent. Damit stecken wir per Definition in einem Abschwung – und der ist viel mehr als nur eine statistische Größe. Die „Dynamik nach unten ist ungebrochen“, fürchtet etwa Volkswirt Martin Hüfner. „Wir könnten die schlimmste Rezession der Nachkriegszeit erleben“, – schmerzhafter als die Rezession 1975 und viel schwerwiegender als der Abschwung 2002/2003.

Der Tiefpunkt ist noch nicht erreicht. Rund um den Globus werden zurzeit die Einkaufs-Etats zurechtgestutzt, werden die Preise für Waren, Währungen und Wertpapieren neu taxiert. Die Unsicherheit von Käufern und Investoren spiegelt sich in den wöchentlich neuen Wachstumszahlen und Prognosen: Vor Kurzem erst prognostizierte der Internationale Währungsfonds fürs nächste Jahr ein Wachstums-Plus in Deutschland. Wenig später revidierten die Experten ihre Zahlen und erwarten jetzt auch in der Bundesrepublik ein Minus.

In allen 30 großen Industriestaaten geht es gleichzeitig bergab

Ähnlich die Prognose der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD: Noch im Juni rechneten die OECD-Experten mit einem Wachstum von 1,7 Prozent im kommenden Jahr und glaubten, dass das Gröbste der Finanzmarktkrise bereits überstanden sei.

Jetzt geht die OECD für 2009 von einem Minus in den 30 wichtigsten Industriestaaten aus. Erstmals geht es in allen OECD-Staaten, ob in Europa, Amerika oder Asien, gleichzeitig bergab. Erst 2010 werde es bergauf gehen, fürchten sie.

"Die Psychologie macht 50 Prozent aus"

Die Psychologie ist nur die halbe Miete. Noch spüren die meisten Beschäftigten in Deutschland nicht viel von der Krise. Reden uns die Statistiker also am Ende nur ein, dass alles bergab geht – und provozieren so erst recht die Krise? „Die Psychologie macht 50 Prozent aus“, zitiert Hüfner eine alte Ökonomen-Weisheit. „Aber eben nur 50 Prozent“, ergänzt er, „der Rest sind Fakten“ – und die ließen sich kaum weginterpretieren.

Auch aus dem Ausland ist keine Hoffnung zu erwarten. Der Export, der Deutschland bisher gestützt habe, bricht weg. Besonders schlimm: Die Ausfuhren in die aufstrebenden Volkswirtschaften Osteuropas, Russlands und Asiens, von dem deutsche High-Tech-Firmen profitiert haben, bröckelt. „Diese Länder leiden unter niedrigeren Einnahmen aus Rohstoffverkäufen, bekommen kein Geld mehr vom Kapitalmarkt.“ Das trifft vor allem den Maschinenbau, neben der darbenden Autoindustrie die wichtigste Branche in Deutschland.

Es drohen massive Jobverluste

Der Sachverständigenrat glaubt trotz der miserablen Zahlen, dass sich die Zahl der Arbeitslosen im nächsten Jahr von jetzt 3,27 auf nur 3,3 Millionen erhöhen wird. Martin Hüfner ist pessimistischer. Er glaubt, dass bis zu 250000 Arbeitsplätze in Deutschland verloren gehen könnten. Die OECD geht davon aus, dass die Arbeitslosenquote in der Eurozone 2010 auf 9,0 Prozent steigen dürfte.

Die Rezession – eine gute Ausrede für Ausbeuter-Chefs? Unternehmen, denen es passabel geht, nutzen die Gunst der Stunde und pressen ihren Beschäftigten immer neue Zugeständnisse ab – so die Befürchtung der Gewerkschaften.

Werden angesichts der Krise im Übermaß Stellen abgebaut? Martin Hüfner ist skeptisch. „Unternehmen wollen wachsen“, konstatiert er. Vorstellbar sei sogar, dass Firmen, die sich bei der Suche nach hoch qualifizierten Fachkräften in Boomjahren schwertun, die Krise nutzen, um Fachleute anzuheuern.

Die nächste Blase kommt bestimmt

Und auf die Finanzmärkte rollt schon die nächste Schockwelle zu: Nach den faulen Immobilien-Krediten, die die Krise ausgelöst haben, droht die nächste Katastrophe wegen fauler Kreditkarten-Schulden. „Wer davor keine Angst hat, ist verrückt“, sagt Jamie Dimon, Chef von J. P. Morgan Chase.

Die Zahlen: Die US-Bürger haben zusammen eine Billion Dollar Kreditkarten-Schulden. Das macht pro Haushalt statistisch 10 000 Dollar, und da sind Verbraucherkredite von Autohändlern oder Kaufhäusern noch gar nicht dabei. Hier beträgt das Volumen weitere 1,6 Billionen Dollar Schulden. Wie bei den Ramsch-Hypotheken lockten auch die Kreditkarten-Anbieter mit niedrigen Einstiegszinsen.

Doch gerade in Zeiten der Krise können immer mehr Bürger ihre Abrechnung nicht bezahlen, und bei Verzug steigen die Zinsen schnell auf 30 Prozent – das wird erst recht nicht mehr bedient. Die Schulden sind allerdings längst zum größten Teil zu Finanzprodukten zusammengeschnürt und in alle Welt verkauft – wohin, können selbst Experten nicht mehr sagen. Dort schlummern sie nun als tickende Zeitbomben.

sun

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