Die Prämie ist abgewrackt - Jetzt kommt die Rabattschlacht

Fünf Milliarden Euro für die Abwrackprämie sind aufgebraucht. Die Regierung preist die Verschrottungsprämie als Mittel gegen die Krise. Experten sprechen von einem „Strohfeuer". Die AZ beantwortet die wichtigsten Fragen.
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Auch nach der Abwrackprämie werden Autos günstig bleiben
dpa Auch nach der Abwrackprämie werden Autos günstig bleiben

MÜNCHEN - Fünf Milliarden Euro für die Abwrackprämie sind aufgebraucht. Die Regierung preist die Verschrottungsprämie als Mittel gegen die Krise. Experten sprechen von einem „Strohfeuer". Die AZ beantwortet die wichtigsten Fragen.

Am Mittwoch um 10.14 Uhr war das Geld für die Abwrackprämie aufgebraucht. Die Deutschen haben zwei Millionen Altfahrzeuge abgewrackt und durch Neuwagen ersetzt – gegen 2500 Euro Prämie pro Auto. Fünf Milliarden Euro gab der Staat aus.

Die Bundesregierung hatte die Umweltprämie im Januar beschlossen, um die Konjunktur zu stützen und der kriselnden Autobranche zu helfen. Die AZ zieht Bilanz.

Hat die Abwrackprämie den Konjunktur-Einbruch abgefedert?

Ja, sagen sowohl die Politiker als auch die Experten: Branchenkenner schätzen, dass in diesem Jahr 3,6 Millionen Neufahrzeuge zugelassen werden – eine halbe Million mehr als im vergangenen Jahr. Die Deutschen gaben in der ersten Jahreshälfte 36 Milliarden Euro für den Autokauf aus – 23 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. „Die Umweltprämie hat sich zu einer effektvollen Stütze zur Stabilisierung der deutschen Konjunktur entwickelt“, sagt Arnold Wallraff, der Chef des für die Verteilung der Abwrackprämie zuständigen Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa). SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier zufolge sind durch die Abwrackprämie rund 200000 Arbeitsplätze gerettet worden.

Wer hat von der Prämie profitiert – und wer nicht?

Zunächst natürlich die Glücklichen, die ihren Neuwagen mit 2500 Euro Staats-Prämie gesponsert bekamen. Die Händler gehören ebenfalls zu den Gewinnern, während die Umsätze der Hersteller in Deutschland zwar zulegten, aber unterm Strich durch den schleppenden Export ins Ausland getrübt werden. Bei den Automarken liefen vor allem Kleinwagen von VW, Hyundai, Fiat und Nissan gut. Teurere Marken wie BMW, Mercedes oder Audi sind keine Profiteure. Der Gebrauchtwagenmarkt brach völlig ein. Auch Kfz-Werkstätten verzeichneten weniger Kunden, da viele auf Reparaturen verzichteten und gleich ein neues Fahrzeug kauften.

Ist die Abwrackprämie ein Erfolg?

Ja, sagen sowohl die Bundesregierung als auch die mächtige Autolobby. Branchenexperten sind da anderer Meinung: „Die Abwrackprämie hat die Auswirkungen der Krise verzögert. Jetzt wird die Krise nachgezogen“, sagt Wolfgang Meinig von der Bamberger Forschungsstelle Automobilwirtschaft zur AZ. Und auch Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) findet: „Die Abwrackprämie ist ein ökonomisches Desaster. Sie ist ein Strohfeuer, das der Branche nicht hilft.“

Kann die Abwrackprämie einen psychologischen Effekt auf andere Branchen haben?

„Rabatte und Prämien haben immer eine psychologische Funktion, auch wenn es ökonomisch keinen Sinn macht“, sagt DIW-Expertin Kemfert. Jedoch: „Eine so kurzfristige Belebungsphase löst keine konjunkturelle Besserung aus.“

Welche Probleme hat die Autobranche?

„Die Hersteller haben viel zu viele Autos hergestellt. Weltweit gibt es eine Überkapazität, die der Höhe des gesamten europäischen Marktes entspricht“, sagt Meinig. Doch mit der Über-Produktion ist es nicht getan, so Kemfert: „Es gibt zu viele Hersteller, die die falschen Produkte auf den Markt bringen. Wir brauchen eine Konsolidierung der Branche – und das bedeutet auch die Zusammenführung verschiedener Anbieter.“ Und diese Probleme bleiben bestehen – trotz Abwrackprämie.

Wie viele Jobs sind gefährdet?

„2010 werden wahrscheinlich 800000 Neufahrzeuge weniger verkauft“, sagt Meinig. 6500 Händlern drohe die Insolvenz, jeder Händler habe im Schnitt 14 Mitarbeiter. Das heißt: 90000 Beschäftigten im Kfz-Gewerbe droht nach Meinigs Rechnung die Arbeitslosigkeit. Nicht eingerechnet sind die Beschäftigten bei den Auto-Herstellern. „Ich sehe keine Chance für eine Rettung der Arbeitsplätze“, sagt der Wirtschafts-Professor. Der Essener Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer schätzt, dass der Absatz von Autos schon im November einbricht.

Kommt jetzt die große Rabattschlacht?

Ja, sagt Dudenhöffer: Es werde sehr schwer werden, „dem deutschen Autokäufer zu sagen, dass ein neuer Golf ,nur’ mit 30 Prozent Rabatt oder gar 20 Prozent Rabatt gekauft werden kann“. Im August seien 68 Modelle mit Rabatten zwischen 30 und 40 Prozent einschließlich Abwrackprämie angeboten worden, heißt es in einer Studie von Dudenhöffer: „Darunter etwa der neue VW Golf, der neue Ford Fiesta und Ford Ka, der Smart ForTwo – also keineswegs Auslauf-Modelle.“

Wie können die Probleme der Autobranche gelöst werden?

Die Experten fordern, dass die Überkapazitäten abgebaut werden sollen – auch wenn das nur auf Kosten von Arbeitsplätzen geht. Claudia Kemfert vom DIW fordert eine Förderung für umweltfreundliche Autos: „Die Abwrackprämie ist eine ökologische Katastrophe, weil sie gerade nicht die innovativen Fahrzeuge wie Hybrid- oder Elektrowagen fördert. Das wäre aber sinnvoll.“

Volker ter Haseborg

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