Die Peter-Löscher-Diät

Siemens-Chef Peter Löscher will 16750 Stellen streichen - vor allem in Bayern. Weil dem Boss vor Bürokratie graust, sind Werksschließungen nicht mehr tabu. Rund 1,2 Milliarden Euro sollen eingespart werden.
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„Der Anspruch sind schlanke Verwaltungen in einem wachsenden Unternehmen“, sagt Peter Löscher, Vorstandschef von Siemens.
dpa „Der Anspruch sind schlanke Verwaltungen in einem wachsenden Unternehmen“, sagt Peter Löscher, Vorstandschef von Siemens.

Siemens-Chef Peter Löscher will 16750 Stellen streichen - vor allem in Bayern. Weil dem Boss vor Bürokratie graust, sind Werksschließungen nicht mehr tabu. Rund 1,2 Milliarden Euro sollen eingespart werden.

Von Susanne Stephan

Ein Podium im repräsentativen Münchner Siemens-Forum, zwei Chefmanager, die nüchterne Zahlen verkünden. Zahlen, die Menschenleben verändern werden: 16 750 Arbeitsplätze sollen bei Siemens bis 2010 wegfallen, 5250 davon in Deutschland. „Der Anspruch sind schlanke Verwaltungen in einem wachsenden Unternehmen“, sagt Peter Löscher, der Vorstandschef von Siemens. „Betriebsbedingte Kündigungen können wir nicht ausschließen“, sagt Personalvorstand Siegfried Russwurm.

Bis zu 1000 Arbeitsplätze werden voraussichtlich allein in München gestrichen, 1350 in Erlangen, 550 in Nürnberg, 350 in Berlin. Mit dem Abbau, weniger Berater-Honoraren und Einschnitten bei den Sachausgaben will Löscher 1,2 Milliarden Euro einsparen.

Siemens geht’s gut, doch der Konzern hat dicke Belastungen zu verdauen: Bisher 1,8 Milliarden Euro an Straf- und Steuernachzahlungen sowie Beratungskosten wegen der Schmiergeldaffäre, dazu heuer besondere Belastungen – unter anderem wegen schlampig geführter Projekte – in Höhe von fast 900 Millionen Euro. Löscher denkt mit Sorge an 2009, wenn die Konjunktur wieder abflauen wird.

Und ihm graust vor der Siemens-Bürokratie. Jede Menge Jobs, die in den Verästelungen des Siemens-Reichs doppelt und mehrfach erledigt werden, klagt er. Zuviele Funktionen, die in der früheren Hierarchie mit ihren zehn Geschäftsbereichen und 200 Landesgesellschaften einen Sinn machten, heute aber nicht mehr.

„Das Schloss“, nannten Unternehmensberater früher Siemens gerne, in Anspielung auf den undurchsichtigen bedrohlichen Apparat in Kafkas gleichnamigem Roman. Erst bauten die jeweiligen Vorstandschefs zu ihrem persönlichen Ruhm an der ausufernden Unternehmens-Struktur, jetzt wird den Abteilungen die Magerkur verordnet.

Mancherorts droht sogar die Null-Diät. Werksschließungen in der Verkehrstechnik-Division Mobility, unter anderem gebeutelt durch das Debakel mit den fehlerhaften Combino-Straßenbahnen, sind kein Ding der Unmöglichkeit. Löscher spricht von „strukturellen Schwächen“, davon, dass „der Zuschnitt des Geschäfts zu verändern“ sei. Im Klartext heißt das: Von den weltweit 25000 Stellen fallen 4150 weg, davon 1750 in Deutschland. Die Arbeiter im Allacher Werk könnte es treffen – oder auch Beschäftigte in Erlangen. Immerhin: Von einem Verkauf der Division, über den immer wieder spekuliert wurde, ist keine Rede: „Wir sind absolut committed“, sagt Löscher auf Manager-Denglisch. Die Division habe „fantastische Wachstumschancen“.

Da sieht es bei der Dienstleistungstochter Segment Industrie Montage Services (SIMS) mit ihren 1200 Monteuren und Service-Mitarbeitern anders aus. Die Firma soll verkauft werden. Sie arbeitet nur in Deutschland – uninteressant für die Siemens-Chefs, die nur noch international denken wollen. Ob im Zuge des Verkaufs auch bei SIMS Stellen wegfallen werden? Das wisse noch niemand, sagt Personalvorstand Russwurm.

Unklar ist auch, ob die Stellenstreichungen quer durch die anderen Konzernteile mehr Führungskräfte oder einfache Beschäftigte treffen werden. Löscher hatte von einer „Lehmschicht“ im mittleren Management gesprochen und davon, dass nicht immer nur die Arbeiter bluten dürften. Jetzt scheint es, als könne er mit den Geistern, die er beschwor, nichts mehr anfangen: Wieviel außertarifliche und wieviel einfache Beschäftigte betroffen seien, könne man nicht sagen, ruderte er gestern zurück.

Viele Siemens-Führungskräfte werden sich angesichts der Ungewissheit bei Siemens ohnehin schon nach neuen Herausforderungen umsehen. „Die Leute werden für Angebote von außen ansprechbar“, sagte am Dienstag der Münchner Personalberater Gerd Hofmann zur AZ.

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