Die Konjunktur schmiert ab

FRANKFURT/BERLIN - Die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute sehen Deutschland kurz vor der Rezession. Schuld daran ist die Finanzkrise. Die Börsen jubeln dennoch. Doch die Krise dürfte sie bald wieder einholen
Börsianer ticken anders als andere Menschen – wer einen Beleg dafür sucht, der konnte ihn gestern am Aktienmarkt finden. Während in Berlin die führenden Konjunkturforscher mit bitterernsten Mienen vor einer Rezession warnten, zündeten die Händler an der Frankfurter Börse ein Kursfeuerwerk. Der Deutsche Aktienindex (Dax) gewann gut sechs Prozent. Zuvor hatte der japanische Nikkei-Index mit 14 Prozent ein Rekordplus erreicht.
Es ist die Erleichterung über die weltweiten Bankenrettungspakete, die die Börsianer die Folgen der Finanzkrise für die Konjunktur zurzeit ignorieren lässt. Doch die Krise dürfte auch die Börsen bald wieder einholen. Denn wenn eintritt, was die Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem Herbstgutachten vorstellten, dann wird das die Firmengewinne empfindlich treffen – und damit die Aktienkurse.
Die Finanzkrise, so die Forscher, habe die Aussichten für die weltweite Konjunktur deutlich verschlechtert. Und Deutschland sei davon als Exportnation besonders betroffen. Im nächsten Jahr werde die Wirtschaft nur noch um 0,2 Prozent wachsen – und im schlimmsten Fall sogar schrumpfen (siehe Kasten). Eine Einschätzung, die auch das ZEW-Institut bestätigte. Dessen Index für die Konjunkturerwartungen stürzte auf einen neuen Tiefstwert.
Die Forscher fordern niedrigere Steuern
Um die Wirtschaft zu stützen, forderten die Autoren des Herbstgutachtens niedrigere Einkommensteuern und Sozialabgaben. Ein Vorschlag, der bei Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) auf Beifall stieß. Er „begrüße die Forderung, heimliche Steuererhöhungen zurückzugeben“. SPD-Finanzexperte Joachim Poß mahnte hingegen, „Ruhe zu bewahren“. Dann werde der Abschwung „allenfalls eine Stagnation, aber keine Rezession werden“.
Derweil gibt es weiter Ärger zwischen Bund und Ländern wegen der Finanzierung des 500-Milliarden-Rettungspakets der Regierung. Die Länder sollen sich mit 35 Prozent beteiligen. Bayerns Finanzminister Erwin Huber warf der Bundesregierung vor, die Länder bei der Ausarbeitung des Pakets nicht eingebunden zu haben. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger forderte: Die Länder müssten bei grundlegenden Fragen mitwirken können. Andere Länder begrüßten das Paket. Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt heute eine Regierungserklärung dazu ab. Die US-Regierung kündigte an, sie wolle mit 250 Milliarden Dollar bei Banken einsteigen.
Die Ergebnisse des Herbstgutachtens auf einen Blick
Wachstum: 2008 soll es 1,8 Prozent betragen, 2009 nur 0,2 Prozent.
Preise: Die Inflation liegt 2008 bei 2,8 und 2009 bei 2,3 Prozent.
Jobmarkt: Die Zahl der Arbeitslosen steigt 2009 um 223.000, im Schnitt liegt sie bei 3,26 Mio.
Zinsen: Sie sollen 2009 weiter sinken.