Die Kirche darf diskriminieren

Urteil des Bundesarbeitsgerichts: Rauswurf eines Caritas-Mitarbeiters nach Kirchenaustritt rechtens
von  zo
Der gefeuerte Sozialpädagoge (li.) und sein Rechtsanwalt Hilmar Hoppe vor der Urteilsverkündung im Bundesarbeitsgericht in Erfurt.
Der gefeuerte Sozialpädagoge (li.) und sein Rechtsanwalt Hilmar Hoppe vor der Urteilsverkündung im Bundesarbeitsgericht in Erfurt. © dpa

 

Wegen der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche trat ein Caritas-Mitarbeiter aus – und verlor seinen Job. Der Grundsatz der Gleichbehandlung gilt für Kirchen nur eingeschränkt

Erfurt - Der Mann war 19 Jahre lang bei der Caritas. Sein Job als Sozialpädagoge in einer Förderungseinrichtung für Schulkinder in Mannheim machte ihm Spaß. Doch als in der katholischen Kirche immer mehr Fälle sexuellen Missbrauchs ans Licht kamen, trat der Katholik 2011 tief erschüttert aus der Kirche aus.

Die Reaktion folgte prompt: Die Caritas warf ihn raus. Der Mannheimer wollte das nicht auf sich sitzen lassen – und klagte. Der Streit ging durch mehrere Instanzen. Gestern urteilte das Bundesarbeitsgericht: Die Kündigung ist rechtens, denn der Austritt sei ein schwerer Loyalitätsverstoß.

Eigentlich gilt für alle Menschen nach Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ In Absatz 3 heißt es: „Niemand darf wegen seiner religiösen Anschauungen benachteiligt werden.“

Doch das gilt nicht für Kirchen. Das ist im so genannten kirchlichen Selbstbestimmungsrecht geregelt – es steht auch im Grundgesetz, geht zurück auf Artikel 137 der Weimarer Reichsverfassung und besagt, dass jede Religionsgemeinschaft ihre Angelegenheiten selbstständig verwalten darf. Also auch ihr Arbeitsrecht.

Und so kommt es immer wieder zu Kündigungen oder Diskriminierung aufgrund der Religion. In Ennepetal (NRW) durfte eine evangelische Christin nicht in einer katholischen Kirchengemeinde putzen. In Königswinter bei Bonn wurde eine Kindergartenleiterin von der katholischen Kirche entlassen, weil sie sich von ihrem Mann getrennt hatte und zu einem neuen Partner gezogen war.

Und im niedersächsischen Stade durfte eine Frau, die der indischen Religionsgemeinschaft der Sikh angehört, nicht als Festangestellte den evangelischen Kindergarten putzen. Paradox: Als sie noch Ein-Euro-Jobberin war, waren die Dienste der Frau monatelang willkommen.

Dabei hat die EU im Jahr 2006 eigentlich eine europaweite Antidiskriminierungs-Richtlinie durchgesetzt. Doch Deutschland handelte Ausnahmen für Kirchen heraus: Nach Artikel 9 des Allgemeinen Gleichbehandlungs-Gesetzes (AGG) ist es Kirchen erlaubt, das Personal nach Religionszugehörigkeit auszusuchen oder Mitarbeitern zu kündigen.

Allerdings soll dies nur für so genannte „verkündigungsnahe“ Jobs gelten – also zum Beispiel für Pfarrer. Doch genug Beispiele zeigen: die Kirche hält sich nicht dran und sucht auch katholische Putzfrauen und evangelische Gärtner.

Der Mannheimer Sozialpädagoge hatte argumentiert, dass in seiner Einrichtung auch muslimische Kinder betreut werden – es in seinem Job also nicht um die christliche Verkündigung gehe. Die Caritas sah das aber anders.

Auch der Fall einer vergewaltigten Frau in Köln, die von mehreren katholischen Kliniken abgewiesen worden war, ist auf dieses Grundproblem zurückzuführen: Die Ärzte hatten schlichtweg Angst, von den kirchlichen Trägern der Krankenhäuser rausgeschmissen zu werden, wenn sie – entgegen der katholischen Lehre – der Frau die „Pille danach“ verschreiben.

Dies ist kein Randproblem: Schließlich sind die beiden großen Kirchen – nach dem öffentlichen Dienst – der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland. Evangelische und katholische Kirche beschäftigen in Kindergärten, Krankenhäusern, Altenheimen und sozialen Einrichtungen insgesamt 1,3 Millionen Menschen.

In letzter Zeit versuchen die Arbeitsgerichte immer häufiger, die Diskriminierung durch Kirchen zu durchbrechen. Im November urteilte das Bundesarbeitsgericht, dass kirchliche Mitarbeiter unter bestimmten Bedingungen streiken dürfen. Allerdings wollten sich die Kirchen das nicht gefallen lassen: Der Fall liegt jetzt beim Bundesverfassungsgericht.

 

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.