Die Jobkrise steht vor der Tür

Im nächsten Jahr wird es mehr als 5 Millionen Deutsche ohne Stelle geben, schätzt die OECD. Schuld ist die weltweite Wirtschaftskrise. Sie ließ jetzt erstmals im März die Arbeitslosenzahl steigen. Die AZ beantwortet die wichtigsten Fragen zur Jobkrise.
von  Abendzeitung

MÜNCHEN/NÜRNBERG - Im nächsten Jahr wird es mehr als 5 Millionen Deutsche ohne Stelle geben, schätzt die OECD. Schuld ist die weltweite Wirtschaftskrise. Sie ließ jetzt erstmals im März die Arbeitslosenzahl steigen. Die AZ beantwortet die wichtigsten Fragen zur Jobkrise.

Es hat fast etwas Historisches: Seit 1928 gibt es die deutsche Arbeitsmarktstatistik. Seitdem hat im März die Zahl der Arbeitslosen stets abgenommen. Gestern jedoch war es zum ersten Mal anders: 34000 Arbeitslose mehr als im Februar zählte die Nürnberger Bundesagentur für Arbeit.

Schuld daran ist die weltweite Konjunkturkrise. „Der wirtschaftliche Abschwung kommt zunehmend auf dem Arbeitsmarkt an“, sagte Frank-Jürgen Weise, Chef der Arbeitsagentur. Das sorgte dafür, dass die sonst übliche Frühjahrserholung auf dem Jobmarkt ausblieb. Doch die ganz große Krise steht uns erst noch bevor, meinen Experten.

Wie sieht die Lage aktuell aus? Im März waren knapp 3,6 Millionen Menschen in Deutschland ohne Job. Die Arbeitslosenquote lag bei 8,6 Prozent. In Bayern gab es 342000 Arbeitslose. Das sind 5600 mehr als im Februar. Die Quote stieg von 5,1 auf 5,2 Prozent. Besonders viele Jobs wurden bei Zeitarbeitern und in der Industrie abgebaut.

Wie geht es weiter? Agenturchef Weise gab sich zurückhaltend: Vier Millionen Arbeitslose am Ende des Jahres seien nicht auszuschließen. Doch die meisten Experten sind sich sicher: Es werden wohl deutlich mehr werden. „Wir stehen erst ganz am Anfang der Arbeitsmarktkrise“, sagte Roland Döhrn zur AZ, Konjunkturchef des RWI-Instituts. Er rechnet bis Ende 2009 mit 4,3 Millionen Erwerbslosen.

Welche Rolle spielt die Kurzarbeit? Ohne sie wäre die Lage auf dem Jobmarkt noch viel dramatischer. Für März rechnet die Bundesagentur mit der Rekordzahl von 740000 Anträgen auf Kurzarbeit. Alleine seit Januar sei 1,7 Millionen Mal Kurzarbeit beantragt worden. Das dürfte sich auch relativ schnell bei den Arbeitslosenzahlen bemerkbar machen. „Etwa ein gutes halbes Jahr lang rechnet sich die Kurzarbeit für die Unternehmen“, schätzt Experte Döhrn. „Dann jedoch müssen die Firmen Leute entlassen.“

Droht uns bald eine neue Massenarbeitslosigkeit? Die Industrieländerorganisation OECD sagt: Ja. Sie rechnet mit einem drastischen Wirtschaftseinbruch in Deutschland. Die Wirtschaftsleistung soll heuer um 5,3 Prozent schrumpfen. 2010 soll die Zahl der Arbeitslosen dann auf mehr als fünf Millionen steigen. Für Ökonom Döhrn eine durchaus realistische Zahl. Er selbst rechnet mit 4,8 Millionen Arbeitslosen Ende 2010. „Aber da ist viel Hoffnung dabei, dass sich die Konjunktur wieder stabilisiert.“ Gut möglich sei aber auch, „dass es noch zwei, drei Jahre nach unten geht“.

aja

Welche Branchen es am härtesten trifft.

Die Krise trifft vor allem Branchen, die auf den Export setzen. Dort werden am ehesten Jobs abgebaut – etwa in der Automobilindustrie und im Maschinenbau. „Im Metallbereich will mehr als die Hälfte der Firmen in den nächsten drei Monaten Stellen streichen“, sagt Gernot Nerb, Branchenexperte beim Münchner Ifo-Institut. Ähnlich sehe es in der Elektrotechnik und der optischen Industrie aus. Stark betroffen vom Jobabbau ist auch die Logistikbranche – also Speditionen, Lagerei oder Häfen.

Der Einzelhandel habe dagegen noch keine größeren Streich-Pläne, meint Nerb. Das kann sich aber ändern, wenn die Krise auf die Einkommen der Verbraucher durchschlägt. Relativ widerstandsfähig zeigt sich der Dienstleistungssektor. Dort wollen immerhin noch 12 Prozent der Firmen neue Leute einstellen. Jobs gibt es auch noch im Gesundheitsbereich und in sozialen Berufen. Und: Der Bau rechnet wegen der Konjunkturprogramme mit Belebung – etwa im Straßen- , Fenster- oder Heizungsbau.

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