Die große Sozial-Debatte: Bloß nicht mehr Stütze!
Der Hauptgeschäftsführer des Verbands der bayerischen Wirtschaft hält Hartz IV für ein Erfolgsmodell. Aber er spricht sich auch dagegen aus, die Regelsätze für die Empfänger jetzt zu erhöhen.
Fünf Jahre ist es her, dass Hartz IV von der rot-grünen Bundesregierung eingeführt wurde. Und plötzlich debattiert Deutschland hitzig über diese Arbeitsmarktreform. Warum? Die jüngste Entscheidung der Karlsruher Richter über die Hartz-IV-Leistungen führt zu Streit.
Dabei hat das Bundesverfassungsgericht gar nicht die Höhe der Regelleistung beanstandet, sondern das Verfahren zu deren Festlegung. Eine komplette Überarbeitung der Reform oder gar eine massive Aufstockung der finanziellen Unterstützung für die Empfänger wäre jedenfalls der falsche Weg.
Die Arbeitsmarktreformen der letzten Jahre sind eine Erfolgsgeschichte. Das Prinzip Fördern und Fordern hat sich bewährt und vor allem Langzeitarbeitslosen wieder neue Perspektiven gegeben. Das bestätigen die rapide gesunkenen Zahlen: Waren deutschlandweit bei Beginn der Hartz-Reformen im Januar 2005 noch mehr als 1,77 Millionen Männer und Frauen langzeitarbeitslos, sank die Zahl bis Januar dieses Jahres auf rund 965 000. Das ist ein Rückgang von über 45 Prozent. In Bayern sieht die Bilanz sogar noch besser aus!
Wer angesichts dieser Zahlen mit ideologischen Scheuklappen die Debatte um Hartz IV auf die Höhe der monatlichen Unterstützung minimiert, blendet diese positiven Wirkungen aus.
Klar ist: Höhere staatliche Transfers mindern deutlich die Anreize, einen Job anzunehmen. Deshalb ist es in der gesamten laufenden Debatte durchaus richtig, auch die Seite der Leistungserbringer zu berücksichtigen.
Wer täglich morgens aufsteht und zur Arbeit geht, muss mehr Geld in der Tasche haben als jemand, der zwar erwerbsfähig ist, aber vom Staat lebt. Zudem darf der Anschluss an die Gesellschaft nicht allein an Zahlungen gemessen werden. Vielmehr müssen auch andere Leistungen des Staates berücksichtigt werden: gute Kinderbetreuung, Bildungschancen für Kinder oder kulturelle Angebote.
All das sollte intensiviert werden. Das wäre viel sinnvoller als eine undifferenzierte Erhöhungsdebatte bei Hartz IV.
Eine verheerende Wirkung hätte auch die Einführung von flächendeckenden Mindestlöhnen. Das würde den Druck auf die unteren Lohngruppen verstärken und zum Verlust von Arbeitsplätzen im Niedriglohnbereich führen. Das könnte allen Geringqualifizierten schaden und ihnen Chancen auf dem Arbeitsmarkt nehmen.
Diese Gruppe über eine üppigere Alimentierung in einer Arbeitslosenspirale zu belassen, wäre unserer Gesellschaft aber nicht würdig.
Bertram Brossardt
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