Die große Peter-Löscher-Show

Er tritt an vor 11.000 Aktionären in der Olympiahalle. Und so gerne Peter Löscher über glänzende Zahlen sprechen will - da ist es wieder, das Thema Korruption. Wie der neue Chef die heikle Siemens–Hauptversammlung meistert
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Er tritt an vor 11.000 Aktionären in der Olympiahalle. Und so gerne Peter Löscher über glänzende Zahlen sprechen will - da ist es wieder, das Thema Korruption. Wie der neue Chef die heikle Siemens–Hauptversammlung meistert

VON SUSANNE STEPHAN
Es ist seine Show. Peter Löscher tritt zum ersten Mal auf einer Siemens-Hauptversammlung auf, und er beteuert, dass es ihm Vergnügen macht. „Ich freue mich darauf“, versichert der hochgewachsene Konzernboss vor Beginn des Aktionärstreffens. Wenn es nicht stimmt, was er sagt, schauspielert er zumindest perfekt.

Es ist auch seine Show: Dennis Hofmann, 35 Jahre alt, bei Siemens zuständig für die Organisation der Hauptversammlung. Seit einem halben Jahr plant er mit einem 15-köpfigen Team für die fünf Millionen Euro teure Mammutveranstaltung. 26000 Aktionäre haben sich angemeldet. Um die 11000 kommen. Seit kurz vor sechs Uhr morgens ist Hofmann da. Die vergangenen Tage waren angefüllt mit Generalproben. Funktioniert die Elektronik für die Stimmabgabe? Eine Katastrophe, wenn die Abstimmung nachher aus formalen Gründen angefochten werden könnte.

Während Hofmann die letzten Vorkehrungen für den Ansturm der Aktionäre trifft, hat Peter Löscher andere Sorgen. Die Korruption: So gerne Löscher über die glänzenden Ertragszahlen von Siemens sprechen will – es dauert keine Minute, bis er von der Presse auf das leidige Thema angesprochen wird. Aber er hat vorgesorgt. Die Journaille bekommt ein Blatt mit bunten Bildern über die Korruptionsbekämpfung bei Siemens: Eine Tortengrafik über die disziplinarischen Maßnahmen, Balkengrafiken zu den internen Untersuchungen.

Persilschein für den Neuen

Auch später, in seiner Rede vor den Aktionären gibt Löscher den Saubermann. Seit Monaten inszeniert der Siemens-Vorstandschef die Wiederauferstehung des Unternehmens als wertstiftende Größe im Wirtschaftsleben. Die Ernennung des Anti- Korruptionsbeauftragten Peter Solmssen. Die Androhung von Schadenersatzforderungen gegenüber korrupten Managern. Die im staubenden Juristendeutsch gehaltene Empfehlung der New Yorker Anwaltskanzlei Debevoise & Plimpton, umgehend veröffentlicht auf der Siemens-Internetseite: Das Ex-Management um Heinrich von Pierer und Klaus Kleinfeld soll auf der Hauptversammlung nicht aus seiner Verantwortung entlassen werden. Nur Peter Löscher verdiene den Persilschein.

Mit einem hausinternen Amnestie-Programm versucht Siemens, die Mitarbeiter zum Plaudern zu bringen. Wer auspackt, muss mit keinen Konsequenzen seitens des Unternehmens rechnen, es sei denn, er ist eine Führungskraft mit kaufmännischer Verantwortung. 61 Beschäftigte haben sich bisher an das Siemens- Ombudsmann-Team gewendet, das unter dem Motto „Tell us“ zum Auspacken einlädt. 33 Siemensianer haben um Amnestie nachgesucht, vieren wurde sie gewährt, bei zweien abgelehnt.

Vergleich mit der US-Börsenaufsicht

Die Vergangenheitsbewältigung stößt offenbar auf Anerkennung – auch in den USA, wo Siemens wegen des Skandals eine Milliarden-Geldbuße von der Börsenaufsicht SEC droht. Man sei auf gutem Wege, einen Vergleich mit der SEC zu schließen, berichtet Aufsichtsratschef Gerhard Cromme den Aktionären.
Freilich stößt das Aufräumen zum Teil an seine Grenzen. Nicht die komplette Führungsspitze wurde erneuert. Einer der drei neuen Sektoren-Leiter, der Medizintechnik-Chef Erich Reinhardt, stammt aus der alten Zeit. Wahrscheinlich wollte Löscher auf Reinhardts gute Kontakte in die Gesundheitsbranche nicht verzichten – obwohl es schon seit mindestens einem Jahr deutliche Hinweise gibt, dass auch in der Medizintechnik kräftig geschmiert wurde. Ein Problem für Löscher? „Ich vertraue meinem Vorstand“, beteuert er.

Die Show der Aktionäre

Die Hauptversammlung ist freilich auch die Show der Aktionäre – und sie nutzen die Veranstaltung zu einer Abrechnung. Thomas Stinnesbeck etwa, früher Vertriebsleiter in der Siemens-Medizintechnik . Er habe Reinhardt schon vor Jahren über ein „System zur Bargeldbeschaffung“ informiert. Auf die schwarzen Kassen angesprochen, habe Reinhardt die Hauptversammlung im vergangenen Jahr mit einer „völlig sinnentstellenden“ Antwort „gezielt getäuscht“.

„Siemens macht einen vollkommen hilflosen Eindruck“, urteilt Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz zur Korruptionsaffäre. Sie fordert, nicht nur die Entlastung des Vorstandes, sondern auch die Entlastung des Aufsichtsrates zu verschieben.
Ähnlich Henning Gebhardt von der größten deutschen Publikumsgesellschaft DWS. Die DWS hat über eine Milliarde Euro in Siemens- Aktien investiert – und Gebhardt fragt, ob sich die Siemens-Chefs nicht zu unbefangen aus den Geldern der Aktionäre bedienen. Warum sind die Chefgehälter doppelt so hoch wie bei BASF, eines der am besten gemanagten Unternehmen?

„Enorm irritiert“ hätte es die DWS, „dass vor allem die Vorstände die die operative Verantwortung für die letzten Jahre mitgetragen haben, in diesem Jahr eine Steigerung der Gehälter um fast 30 Prozent für das Geschäftsjahr 2007 erhalten haben“.
Viel Geld für schwache Leistung – das soll anders werden, sagt Löscher. Er findet deutliche Worte für Versäumnisse im Unternehmen: Die Verluste beim Geschäft mit fossilen Kraftwerken – „inakzeptabel“. Nochmals 32 Millionen für die Pannen- geschüttelte Niederflur-Bahn Combino im ersten Quartal? „Ich bin ungeduldig“.

Aber Löscher ist nett zu den Aktionären. Sein Signal: Wir tun was für euch. Bis 2010 sollen zehn Milliarden Euro in Rückkäufe von Siemens-Aktien investiert werden. Das treibt den Aktienkurs nach oben und freut die Anteilseigner. Und die Erwartungen an die Gewinnmarge, an der sich die Manager messen lassen müssen, werden nach oben geschraubt. Da schmeckt den Aktionären auch wieder der Lauchstrudel, das Hähnchenbrustfilet und der Leberkäs, den es im Foyer gibt.

Mit Schafen zur Hauptversammlung

Über 700 Menschen kümmern sich bei der Hauptversammlung um die Anteilseigner. Organisator Dennis Hofmann atmet durch, weil alles reibungslos läuft. Er war auf alle Eventualitäten gefasst, seit vor einigen Jahren ein Aktionär drei Schafe mit zur Olympiahalle brachte. Wenigstens das blieb ihm diesmal erspart.
Hofmann freut sich auf seinen Feierabend, auf ein Glas mit seiner Truppe. Dann hat er Ruhe. Bis zur nächsten Hauptversammlung.

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