Die Fleischfabrik Deutschland

Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter rechnet in seinem Buch mit der Massenproduktion ab.
von  Rudi Wais
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter (r.) stellt sein Buch mit Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) vor.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter (r.) stellt sein Buch mit Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) vor.

Gerade eben hat Peter Altmaier noch schnell einen Hamburger verdrückt. „Aus 100 Prozent Rindfleisch.“ Für die Vorstellung eines Buches, das mit der Massentierhaltung abrechnet, ist das vielleicht nicht die politisch korrekteste Vorbereitung – als bekennender Genussmensch aber pflegt der Kanzleramtsminister einen ausgesprochen unverkrampften Umgang mit dem Thema Essen. Bei einem provokanten Titel wie dem von der „Fleischfabrik Deutschland“ etwa denkt er nicht sofort an Käfigbatterien voller Hühner und Ställe mit Tausenden von Schweinen, sondern an seine Kindheit, als der kleine Peter mit seiner Mutter zum Metzger ging und stets ein Stück Fleischwurst in die Hand gedrückt bekam. „Zwei Finger dick“, sagt er anerkennend. Das prägt fürs Leben.

Hofreiter kritisiert: Viele Rinder sehen nie das Tageslicht

Geschrieben hat das Buch der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Anton Hofreiter, der einen guten Braten ebenso zu schätzen weiß wie sein Duzfreund Altmaier von der CDU, der aber mit der Fleischfabrik Deutschland vor allem millionenfaches Tierleid, Gülle im Grundwasser und den übertriebenen Einsatz von Antibiotika assoziiert. Deshalb plädiert Hofreiter für eine Regelung wie bei den Eiern: „Stellen Sie sich vor“, sagt er, „an der Fleischtheke gäbe es eine klare Kennzeichnung, die sagt, das ist Fleisch aus Massentierhaltung. Dann geht doch niemand mehr hin und sagt: Das hätte ich gerne.“ Sein letztes Steak hat Hofreiter ausgerechnet bei einem Treffen mit Altmaier gegessen. „Von Tieren, die anständig gehalten worden sind.“

In seinem Buch erzählt der promovierte Biologe vom Besuch eines Bekannten aus Costa Rica, einem Land mit riesigen Weideflächen. Dafür dass in Deutschland in jedem Restaurant zehn Fleischgerichte auf der Karte stünden, staunte der, sehe man draußen schon erstaunlich wenige Tiere – dass viele Rinder und Schweine nie aus ihren Ställen kommen, dass sie nie das Tageslicht oder auch nur einen grünen Halm gesehen haben, konnte er sich nicht vorstellen. Diese hochsubventionierte und durchindustrialisierte Fleischproduktion, warnt Hofreiter, hänge nicht nur am Tropf der Sojaimporte aus Südamerika, sondern forciere mit ihren Pestiziden, Monokulturen und ihrer Überdüngung auch das Artensterben und erschwere überdies den Kampf gegen den Klimawandel.

Altmaier räumt ein: Von Düngemittel versteht er nicht viel

„Aus dem Land der Bäuerinnen und Bauern ist eine Fleischfabrik geworden“, sagt Hofreiter. Vieles von dem, was er schreibt, kann auch der frühere Umweltminister Altmaier unterschreiben. „Wir haben nur einen Planeten“, warnt er im schönsten Grünen-Slang. Ohne ein gewisses Wachstum aber, gibt er dem „lieben Toni“ dann doch zu bedenken, werde eine rasant wachsende Weltbevölkerung ebenso wenig zu ernähren sein wie ohne eine professionelle Landwirtschaft. Von Düngemitteln und Pflanzenschutz, räumt Altmaier ein, verstehe er nicht viel, umso mehr aber vom Essen und vom Trinken. Der Saarländer ist Botschafter des deutschen Brotes, Botschafter des deutschen Bieres, Oldenburger Grünkohlkönig und hat auch sonst ziemlich klare Vorstellungen, was gut für ihn ist und was nicht: „Es muss nicht immer Fleisch sein – aber es darf auch Fleisch sein.“ Anton Hofreiter: Fleischfabrik Deutschland. Riemann Verlag München; 250 Seiten; 19,99 Euro.

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