Die extraschlaue Münchner Suchmaschine
„Orphan Deseases“ („verwaiste Krankheiten“), schicken die Patienten oft auf eine jahrelange Irrfahrt von Praxis zu Praxis. Weil bestimmte Störungen nur sehr selten vorkommen, kennen die meisten Ärzte die Symptomatik nicht – und stellen reihenweise Fehldiagnosen. Eine neue Software soll damit Schluss machen. Ihre Erfinder tüfteln auf der Schwanthalerhöhe, in einem jungen Unternehmen, das vor seinem internationalen Durchbruch steht.
MÜNCHEN „Auf der Welt gibt es mittlerweile um die 24 Millionen wissenschaftliche medizinische Veröffentlichungen“, sagt Volker Stümpflen, Gründer und Vorstand des Anbieters Clueda. Kein noch so fixer Arzt kann die Artikel lesen und überlegen, ob sie für einen Patienten relevant sind. Genau das schafft aber die Software von Clueda, sagt Stümpflen – sie sei intelligent genug, um die Bedeutung selbst komplexer Texte zu erfassen.
„Clueda“ ist ein Kunstwort, das sich vom englischen „clue“ ableitet, also dem Schlüssel für das Verständnis schwieriger Fragen. 2012 gründete der heute 47jährige Stümpflen die Firma, 30 Experten ist das Team mittlerweile stark. Anders als Google, das das Internet vor allem nach Stichwörtern durchpflügt, die der Sucher eingibt, interessiert sich die Clueda-Suche für Interaktionen und Beziehungsgeflechte zwischen Menschen oder beispielsweise Firmen.
„Den hypothetischen Satz 'Apple verklagt Samsung' interpretiert unsere Software nicht nur als Nachricht, in der Samsung und Apple vorkommen“, erläutert Stümpflen. „Sie erfasst die Bedeutung - dass also die zwei Firmen in einer Beziehung zueinander stehen - und den Umstand, dass von Apple eine, wie wir sagen, negative Stimmung auf Samsung übergeht.“
Auf diese Art lassen sich auch tagesaktuelle Nachrichtenströme, Forenbeiträge oder Blogs – also öffentliche Tagebücher im Internet – auswerten. Daraus ergibt sich unter Umständen ein globales Stimmungsbild: Wo braut sich beispielsweise gerade Gefahr für eine Branche oder ein Land zusammen?
Die Münchner Unikliniken arbeiten bereits mit Clueda-Software, freut sich Stümpflen. Die Baader Bank versorge ihre Börsenhändler mithilfe einer Clueda-Anwendung mit Nachrichten, die für bestimmte Wertpapiere von Belang seien. „Früher verlor die Bank täglich ein paar tausend Euro, weil die Händler wichtige Neuigkeiten in der Nachrichtenflut nicht mitbekommen konnten“, sagt Stümpflen. Diese Verluste erspare ihnen heute die Clueda-Suchmaschine.
Die Baader Bank hält mittlerweile zehn Prozent an Clueda. Sie wird wohl nicht der letzte Investor sein, der Interesse an der Firma äußert. Momentan ist Stümpflen auf der Suche nach einem Geldgeber, der mit einem zweistelligen Millionenbetrag hilft, eine Präsenz in den Vereinigten Staaten aufzubauen. S. Stephan