Die Arbeiter-Verräter
NÜRNBERG - Auftakt im AUB-Prozess: Der ehemalige Siemens-Manager Johannes Feldmayer und der korrupte Mitarbeiter-Vertreter Wilhelm Schelsky haben über die Marionetten-Gewerkschaft AUB die betriebliche Mitbestimmung unterwandert. Dafür droht Ihnen keine Strafe – dank einer Gesetzeslücke.
Sie könnten nicht unterschiedlicher sein, der ehemalige mächtige Siemens-Vorstand Johannes Feldmayer (51) und der Siemens-Günstling Wilhelm Schelsky (59). Feldmayer erscheint gestern zum Prozess im Nürnberger Sitzungssaal 600 im guten Tuch – eine akkurate Erscheinung vom Messerhaarschnitt bis zu den blank gewienerten schwarzen Schuhen. Schelsky hat seine barocke Figur in Jeans und Sakko gesteckt. Während Feldmayer ihm kerzengerade gegenüber sitzt, hängt Schelsky lässig in seinem Stuhl und schaut lächelnd in den Zuhörerraum.
Das ungleiche Paar, das jetzt vor Gericht steht, war einst ein Gespann, das gut funktionierte: Über 30 Millionen Euro kassierte Schelsky von Feldmayer – dafür, dass er seine „unabhängige Arbeitnehmervertretung“ AUB aufbaute, als Gegengewicht zur Arbeitnehmer-freundlichen Gewerkschaft IG Metall. Als Gewerkschaft von Siemens Gnaden. Damit verrieten die beiden die vielen Arbeiter, die glaubten, ihre Interessen würden ungefiltert gegenüber Siemens vertreten.
Zum Prozessauftakt gibt Feldmayer zu: „Siemens hat die Organisation der AUB finanziell unterstützt.“ Im Top-Management des Elektrokonzerns sei bekannt gewesen, dass „die AUB ein Siemens-Kind“ ist. „Dass das politisch heikel war, war uns bewusst.“
Siemens schickt der AUB Personal, das weiter vom Elektrokonzern bezahlt wird
Schelsky schweigt an diesem ersten Verhandlungstag. Seine Geschichte wird er in den kommenden Tagen erzählen. In den 70er Jahren war seine AUB von leitenden Siemensianern gegründet worden. Der Vorwurf von AUB: Die IG Metall sei von Kommunisten gesteuert, die AUB wollte Unternehmens-freundlicher sein. Schelsky, der 1973 als Lehrling ins Erlanger Siemens-Stammhaus gekommen war, ist schnell mit von der Partie, steigt zum Betriebsratschef in Erlangen auf. 1990 macht er sich selbstständig. Sein Gehalt kassiert er weiter. Um die AUB aufzubauen.
Der Elektrokonzern schickt Schelsky Personal, das weiter von Siemens bezahlt wird. Im Jahr 2001 kommt Feldmayer als Strategie-Chef von Siemens ins Spiel. Er schließt mit Schelsky einen Beratervertrag ab, über den von 2001 bis 2006 über 30 Millionen Euro fließen. Offiziell soll Schelsky für das Geld Mitarbeiter schulen – doch beiden ist klar, dass diese Leistungen nicht erbracht werden müssen. Das ganze wird von der Siemens-Finanzabteilung abgesegnet.
Feldmayer lässt sich die Rechnungen nicht ins Büro, sondern nach Hause kommen, um die Sache zu verschleiern. Dafür übernimmt er jetzt die Verantwortung. Von Bestechung will er aber nichts wissen: Direkte Beeinflussung von Betriebsräten sei nicht die Absicht von Siemens gewesen, behauptet Feldmayer vor Gericht. Es sei lediglich um „eine starke AUB“ gegangen.
Sogar einen toten Biber setzt Schelsky von der Steuer ab
Sein Geschäftsfreund Schelsky verliert später völlig die Bodenhaftung, steckt die Siemens-Millionen in Sportvereine und setzt alles als „Betriebsausgaben“ von der Steuer ab. Mehr noch: Er schwelgt im Luxus, genehmigt sich teure Möbel, renoviert seine Ferienvilla – alles auf Steuerzahlerkosten. Und als der Wirt seines Lieblingsfischrestaurants an der Ostsee einen toten Biber in seinen Netzen findet, lässt Schelsky das Tier zum Präparator nach Österreich schicken – ebenfalls auf Kosten des Fiskus.
Als der Skandal im Frühjahr 2007 auffliegt, wandert Schelsky ins Gefängnis. Auch Feldmayer muss in den Knast, kommt aber gegen Zahlung einer Kaution wieder raus. Heute arbeitet er als Unternehmensberater und sitzt im Aufsichtsrat von Infineon. Verantworten müssen sich die beiden nicht etwa wegen Bestechung, sondern wegen Untreue und Steuerhinterziehung (Feldmayer) und Beihilfe zur Untreue in Tateinheit mit Betrug und Steuerhinterziehung (Schelsky).
„Die echte Bestechung von Gewerkschaften ist straflos in Deutschland“, kritisiert der Münchner Arbeitsrechts-Professor Volker Rieble. Es gebe kein Gesetz, das Zahlungen von Arbeitgebern an Arbeitnehmer-Vertreter untersagt. Es komme lediglich darauf an, dass die Konzerne ihre Bestechungs-Zahlungen korrekt verbuchen. Rieble findet, dass Bestechung auch bei Gewerkschaften wie IG Metall, DGB und Verdi in anderer Form zu finden ist. VW stelle 32 IG-Metall-Funktionäre von der Arbeit frei, damit diese sich um ihre Mitglieder kümmern können – obwohl die Funktionäre keine Betriebsräte sind. „Die IG Metall soll ihre Mitarbeiter selbst zahlen“, fordert Rieble. Sein Fazit über den AUB-Prozess: „Dem eigentlichen Unrecht kommt man hier nicht auf die Schliche.“
Volker ter Haseborg, Christa Schamel
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