„Die Ära billigen Gases ist vorbei“

Russland, Iran und zwölf andere gasexportierende Staaten bilden das Kartell GECF. Wladimir Putin kündigt steigende Preise an. Doch wie mächtig ist das Kartell wirklich?
Seit Jahren haben sie damit geliebäugelt, jetzt sollen Nägel mit Köpfen gemacht werden: Russland, Iran und zwölf weitere Länder stricken an einem Kartell ähnlich der Opec. Ihr „Forum gasexportierender Länder“ (GECF), das lange in der Bedeutungslosigkeit dümpelte, bekommt eine Satzung und einen Sitz in Katar. Seine Marschrichtung hat das Kartell auch schon ausgegeben: Die Gaspreise müssen rauf.
„Die Ära billigen Gases ist vorbei“, sagte Russlands Präsident Wladimir Putin. „Die Kosten für die Erkundung neuer Lagerstätten, die Förderung und den Transport von Erdgas werden unausweichlich steigen“, betonte Putin. Die AZ klärt die wichtigsten Fragen zum neuen Kartell.
Warum schließen die Gasexporteure die Reihen? Der abgestürzte Ölpreis und die im nächsten Jahr drohende Rezession ist für die Länder katastrophal. Russland etwa ist dringend auf höhere Erlöse für seine Rohstoffe angewiesen. Im Sog der Finanzkrise fiel der Kurs des Rubel am Freitag auf seinen tiefsten Stand seit drei Jahren. Iran braucht, um seinen Staatshaushalt in der Balance zu halten, einen Ölpreis von 80 bis 100 Dollar pro Barrel – zurzeit beträgt der Preis rund 36 Dollar. Die Opec schafft es nicht, das Angebot ausreichend zu verknappen – deswegen soll jetzt wenigstens an der Gas-Preisschraube gedreht werden.
Welche Rolle spielt jetzt noch die Bindung des Gaspreises an den Ölpreis? Bisher galt die Regel: Der Gaspreis folgt dem Ölpreis mit einer Verzögerung von ungefähr sechs Monaten. Das hieße nun: Die Gaspreise müssen in absehbarer Zeit dramatisch fallen. Allerdings ist die Ölpreisbindung kein Gesetz oder Vertrag, sondern nur eine brancheninterne Vereinbarung. „Welche Verträge gerade auslaufen, ob Putin vielleicht mit deutschen Importeuren neue Bedingungen aushandeln will, das wissen wir zur Zeit noch nicht“, sagt Dagmar Ginzel vom Verbraucherportal Verivox zur AZ.
Gegen die Interessen der westlichen Abnehmer vorzugehen könne sich Putin nicht erlauben
Was spricht trotz der Drohungen Putins für einen stabilen Gaspreis? Gas-Lieferverträge werden normalerweise über zehn bis 20 Jahre abgeschlossen. Kurzfristige Preisausschläge, die nicht mit der Ölpreisbindung begründet werden, sind da eigentlich nicht drin. „Putin kann unmöglich die bestehenden Verträge antasten“, sagte am Freitag ein Branchenexperte zur AZ. Mit seiner öffentlichen Ankündigung, für steigende Gas-Einnahmen zu sorgen, wehre sich Putin lediglich gegen innenpolitischen Druck.
Ernsthaft gegen die Interessen der westlichen Abnehmer vorzugehen und die Ölpreisbindung aufzugeben, könne sich Putin nicht erlauben, so der Experte – dazu sei er viel zu sehr auf das westliche Geld angewiesen. Holger Krawinkel vom Bundesverband der Verbraucherzentralen erwartet denn auch für 2009 einen Gas-Preisrutsch um 25 Prozent.
Warum sollten sich die Verbraucher trotzdem auf steigende Gaspreise einstellen?
Außerdem wird es wahrscheinlich auch auf längere Sicht keinen wirklichen Wettbewerb auf dem Gasmarkt geben, glauben Experten. Ein Grund ist: Bevor neue Lieferbeziehungen aufgenommen werden, müssen erst einmal die nötigen Leitungen verlegt werden. Flüssiggas in Tankern, das ähnlich wie Öl innerhalb weniger Wochen rund um die Welt verschifft werden könnte, ist noch die Ausnahme.
Warum sollten sich die Verbraucher trotzdem auf steigende Gaspreise einstellen? Selbst wenn durch die Rezession der Energiehunger der Welt kurzfristig einschläft – auf lange Sicht steigt der Verbrauch weiter. Deswegen geht die Energiebranche unisono von wieder steigenden Öl-, Gas- und Strompreisen aus.
Was können Verbraucher jetzt tun? Viele Energieberater empfehlen Holzpellets als interessante Brennstoff-Alternative. Die Anbieter versprechen, dass die Preise der kleinen Holzstückchen weitaus weniger steigen werden als der Öl- und Gaspreis. Der Einbau eines Pellet-Tanks anstelle des Öl- oder Gastanks ist in vielen Fällen unproblematisch. Dagmar Ginzel von Verivox mag trotzdem nicht so recht an die Pellets als Alternative glauben: „Nicht nur die Verbraucher, auch die Papierindustrie braucht immer mehr Holz“, sagt sie. Deswegen dürften nach ihrer Meinung auch die Pelletpreise langfristig ordentlich steigen. Der einzige Ausweg für den Verbraucher: Energie sparen – und beim Öl mit den Nachbarn Einkaufsgemeinschaften bilden, um Preisnachlässe herauszuhandeln.
Susanne Stephan