Die Abzocke beim Strom: Warum Energie teuerer wird
MÜNCHEN/NÜRNBERG - Im Januar und Februar gehen gleich 570 Anbieter mit ihren Tarifen zum Teil drastisch nach oben – nicht, weil sie müssten, sondern weil das den Gewinn noch weiter steigert, sagt eine neue Studie
Die ärmsten Schweine der Republik wohnen in Fußgönheim (Rheinland-Pfalz): Die dortigen Gemeindewerke erhöhen den Strompreis zum 1. Januar um 19,82 Prozent. Das ist sozusagen die Spitze eines riesigen Eisbergs: 570 Versorger gehen nach einer Erhebung des Vergleichsportals Check24 im Januar oder Februar 2011 mit dem Stromtarifen rauf. Die meisten begründen es mit der erhöhten EEG-Zulage – „nicht gerechtfertigt“, ergibt nun eine Studie des Energiewirtschaftlers Gunnar Harms für die grüne Bundestagsfraktion, die der AZ vorliegt. Tatsächlich sei dies pure Abzocke zu Lasten der Verbraucher. Die Beschaffungskosten seien seit Herbst 2008 um 30 bis 40 Prozent gesunken.
Wie viel wird den Verbrauchern zu viel berechnet? „Durch die nicht nachvollziehbaren Preiserhöhungen zahlen die Verbraucher in 2011 deutschlandweit rund zwei Milliarden Euro zu viel“, so die Harms-Studie. Zum einen würden die deutlich gesunkenen Beschaffungskosten „bislang nicht weitergegeben“. Zum anderen haben sich die Gewinnmargen der Stromversorger von 0,4 auf 1,1 Cent pro Kilowattstunde annähernd verdreifacht. Die Folge: „2010 ist ein Rekordjahr. Nie zuvor haben die vier großen Versorger einen höheren Gewinn eingefahren“, so Energieexperte Harms.
Wer ist von den Erhöhungen betroffen? Die im Januar und Februar geplanten Erhöhungen machen im Schnitt 7,23 Prozent aus, so die Check24-Erhebung. In Nürnberg geht N-Ergie zum 1. Januar um 7,62 Prozent rauf. In München wollen die Stadtwerke vorerst nicht erhöhen, so Sprecherin Bettina Hess. Eine Prognose kann aber auch sie nicht abgeben. Besonders drastisch gehen jetzt die Tarife in Berlin und Hamburg rauf, besonders teuer ist Strom im Saarland. Bayern ist immerhin das viertgünstigste Bundesland: Hier kosten 5000 kWh im Schnitt 1214,54 Euro.
Was kann man tun? Hauptursache für die überhöhten Preise sei „die marktbeherrschende Stellung der etablierten Stromwirtschaft“, so die Harms-Studie. Verbraucher müssten „ihre Wechselmöglichkeiten in viel stärkerem Maße wahrnehmen“. Heißt: Solange die großen Anbieter darauf setzen können, dass die Kunden trotz aller Erhöhungen die Mühen eines Wechsels scheuen, erhöhen sie auch. Die grüne Fraktionsvizechefin Bärbel Höhn zur AZ: „Weil die Kunden zu wenig wechseln, können die Anbieter die Preise ohne Schaden hochhalten. Ich kann nur empfehlen, zu wechseln, sonst kommt keine Bewegung in den Markt.“ Bisher haben überhaupt nur 14 Prozent der Deutschen schon mal den Anbieter gewechselt, rund die Hälfte den Tarif bei ihrem Stammanbieter – auch das spart schon einiges. Laut Bundesnetzagentur ist bei einem Wechsel eine Ersparnis von im Schnitt 160 Euro drin. tan
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