Deutschland verletzt wieder EU-Stabilitätspakt

Konjunkturpakete und Banken-Rettungshilfen lassen die Neuverschuldung nach oben schnellen: Deutschland wird nach Einschätzung der EU-Kommission den Stabilitätspakt brechen. Ein sofortiges Verfahren muss Berlin aber nicht fürchten.
Die Rezession in Deutschland droht riesige Löcher in die Staatskasse zu reißen - mit Folgen: Die Bundesrepublik wird nach Einschätzung der EU-Kommission in diesem Jahr gegen den Stabilitätspakt verstoßen. Für 2009 sagte EU-Währungskommissar Joaquín Almunia am Montag Deutschland ein Haushaltsdefizit von 3,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) voraus. Der Stabilitätspakt sieht eine Obergrenze von 3,0 Prozent vor.
Damit ist Almunia pessimistischer als die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, die in ihrem am 22. April veröffentlichten Frühjahrsgutachten eine Defizitquote von 3,7 Prozent für 2009 prognostiziert hatten. Für 2010 erwartet die EU-Kommission sogar ein Anstieg der Defizitquote auf 5,9 Prozent. Hier tippten die Institute auf 5,5 Prozent. Basis der EU-Einschätzung ist die Wirtschaftsprognose aus Brüssel: Demnach erwartet die Kommission in Deutschland in diesem Jahr einen Einbruch der Wirtschaftsleistung um 5,4 Prozent. Im kommenden Jahr werde die deutsche Wirtschaft wieder leicht um 0,3 Prozent wachsen, hieß es weiter. Im Frühjahrsgutachten gehen die Forscher in diesem Jahr von einem Minus von 6,0 Prozent aus, im kommenden Jahr erwarten sie einen Rückgang um 0,5 Prozent. Allerdings müssen Deutschland und andere neue Defizitsünder keine sofortigen Schritte der EU-Kommission fürchten. Almunia sagte, er werde weiter zunächst gegen die Länder vorgehen, die bereits im vergangenen Jahr die Defizitschwelle von drei Prozent überschritten. Das seien Malta und die nicht zum Eurogebiet gehörenden EU-Staaten Polen, Rumänien, Litauen und Lettland. Länder wie Deutschland, die erst im laufenden Jahr gegen den Euro-Stabilitätspakt verstoßen, sollten «später berücksichtigt» werden, sagte der Kommissar, ohne einen Termin zu nennen. Berlin war bereits mit einem Defizit-Strafverfahren der EU konfrontiert, das 2007 geschlossen wurde. Wegen der Milliarden-Ausgaben für Konjunkturprogramme und Banken-Rettungspakete werden in diesem Jahr voraussichtlich 20 der 27 EU-Staaten den Stabilitätspakt verletzen. Die Neuverschuldung werde 2009 durchschnittlich 6 Prozent des BIP erreichen, 2010 sogar 7,3 Prozent, schreibt die Kommission. (nz/dpa/AP)