Deutsche Autohersteller wandern aus
Die meisten deutschen Autohersteller machen glänzende Geschäfte in Übersee. Dabei gilt: Die Produktion folgt den Märkten. Längst fertigen die Firmen den Löwenanteil ihrer Autos im Ausland. Sorgen, das könne daheim Jobs kosten, treten die Konzerne entgegen.
München/Györ - Die Globalisierung hat Kennzeichnungen à la „Made in Germany“ längst überholt. Die auch in China oder den USA so heiß begehrten deutschen Autos kommen immer seltener aus dem Mutterland des Automobils.
Allein VW hat in seinem verzweigten Reich 100 Standorte in weltweit 27 Ländern. Opel wird ab 2015 sein wichtigstes Modell, den Astra, nur noch in England und Polen und gar nicht mehr in Deutschland zusammenbauen lassen. Es kann sein, dass ein Kunde in den USA ein in Deutschland gebautes Auto fährt, während der deutsche Autokäufer einen einheimischen Importwagen hat. 2012 liefen noch 5,4 Millionen der insgesamt 13,6 Millionen von deutschen Herstellern gebauten Fahrzeugen hierzulande vom Band.
Auch angesichts des Produktionsstarts bei Audi in Ungarn wird die Zahl der im Ausland gebauten Wagen weiter wachsen. Seit vor drei Jahren die Auslands- die Inlandsproduktion überholt hat, öffnet sich die Schere weiter. Auch für 2013 rechnet der Verband der Automobilindustrie (VDA) damit, dass bei etwa gleichbleibender Produktion in Deutschland das Ausland deutlich zulegt. Es gibt mehr als einen Grund für diese Entwicklung. Einer ist, dass die Produktion den Märkten folgt – und die wachsen nun mal vor allem in Übersee. Dazu kommen die deutlich niedrigeren Kosten in vielen Ländern.
Ungarn liegt zwar nicht in Übersee, lockt die Hersteller aber mit niedrigen Löhnen und der Nähe zu wichtigen europäischen Märkten mit deutlich höheren Lohnkosten. Seit Jahren investieren Autobauer und Zulieferer in dem Binnenland – von Daimler, Opel, Audi über ZF, Faurecia, Conti oder Bosch. Das gilt auch für andere Länder. Vor wenigen Wochen begann Audi mit dem Bau einer Fabrik in Mexico. „Wenn Mitte 2016 der erste Audi Q5 in Mexiko vom Band fährt, produzieren wir zum ersten Mal in unserer Geschichte außerhalb Europas ein Auto komplett für den Weltmarkt“, sagt Audi-Chef Rupert Stadler. Eine wichtige Begründung liefert er gleich mit. „Nur globale Präsenz kann regionale Schwankungen ausgleichen und unsere Heimatstandorte stärken.“
Auch bei BMW legt man Wert auf die Feststellung, dass der Ausbau der Produktion im Ausland, keine Jobs hierzulande koste. Die Münchner bauen ebenfalls im Ausland Autos. Dabei geht es nicht nur um die niedrigeren Löhne, die in vielen Ländern gezahlt werden. Es geht auch um den Zugang zu Märkten. So erheben manchen Länder etwa Zölle auf importierte Fahrzeuge und wollen Firmen auf diesem Weg dazu bringen, im Land zu investieren. Zudem können Wechselkursschwankungen besser ausgeglichen werden. „Die Autohersteller haben gar keine Wahl“, sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Die Produktion in Deutschland habe ihren Höhepunkt überschritten, nun gehe es darum, das Niveau hier stabil zu halten. Mittelfristig werde das die Zahl der Arbeitsplätze in der Autoindustrie drücken, denn um die höheren Kosten der heimischen Fertigung auszugleichen, müsste die Produktion noch weiter automatisiert werden. Zunächst bedrohe der Trend zur auswärtigen Produktion die Belegschaften hier nicht.
Der Autoboom in vielen Teilen der Welt lasse die Kassen der deutschen Hersteller klingeln, das komme auch den Beschäftigten in der Heimat zu Gute. Die Kunden scheint das alles nicht umzutreiben. Sie wollen eine deutsche Marke fahren. Wo der Wagen gebaut wurde, scheint angesichts der hohen Zuwächse zweitrangig.
Apple macht es vor: Auf der Rückseite etwa des iPhones steht „Designed by Apple in California Assembled in China“. Bei Audi beschwört Konzernchef Stadler nicht mehr das „Made in Germany“ sondern das „Made by Audi“. Die Qualität, die die hohen Preise der Oberklassehersteller rechtfertigen soll, habe nichts mit dem Ort zu tun. Sorgen, dass etwa in Schwellenländern die Qualität leiden könne, weist die gesamte Branche zurück. Im Gegenteil: Neue Fabriken mit modernsten Maschinen liefern laut Dudenhöffer sogar bessere Ergebnisse als ältere Fertigungsstätten in der Heimat. Länder wie Ungarn freuen sich jedenfalls über das Engagement der Branche, schafft sie doch tausende Jobs, allein Audi beschäftigt dort inzwischen rund 9000 Menschen.
Die vor 20 Jahren gegründete Fabrik in Györ war Audis erster Standort außerhalb Deutschlands, inzwischen sind es sieben, das künftige Werk in Mexico nicht mitgezählt.