Der Wilde Osten

Der AZ-Chefreporter Matthias Maus über das Recht des Stärkeren.
von  Abendzeitung
Matthias Maus, Chefreporter der AZ.
Matthias Maus, Chefreporter der AZ. © Ronald Zimmermann

Der AZ-Chefreporter Matthias Maus über das Recht des Stärkeren.

In Weißrussland gibt’s keine freie Wahlen, in Russland setzten sie die unabhängige Justiz außer Kraft und in Ungarn mal schnell die Pressefreiheit. Was sich anhört wie Probleme, die uns so gar nichts angehen, verweist auf beunruhigende Zustände in einer spannenden Weltregion – und auf Krisen, die auch uns turbulente Zeiten bescheren könnten.

Präsident Lukaschenko sichert in Weißrussland seine Diktatur mit Knüppeln und Wahlbetrug, viel mehr aber noch mit der Deckung Moskaus. Im Kreml betreibt man Machtpolitik wie unter den Zaren und den Sowjets. Wer nicht spurt, wird bedroht, wer sich mit der Obrigkeit anlegt, der wird mit Rache verfolgt wie der Ex-Oligarch Chodorkowski.

Die Ereignisse der letzten Tage zeigen: das Recht des Stärkeren ist als Philosophie der Macht quicklebendig. Umso beunruhigender, dass diese vordemokratische Überzeugung nicht an den Grenzen der EU halt macht. Die Unverfrorenheit, mit der Ungarn die Pressefreiheit außer Kraft setzt, zeigt, wie flach demokratisches Bewusstsein dort verwurzelt ist.

Die Reaktionen der EU und der Bundesregierung auf diesen und den Chodorkowski-Skandal wirken höchstens pflichtschuldig. Diese Ignoranz, dieses Desinteresse sind sträflich: Es sind schließlich noch immer die Vielfalt, der Respekt vor Andersdenkenden, der Schutz der Schwächeren, die die Strahlkraft der europäischen Idee ausmachen und die sich abheben vom finsteren Erbe der Vergangenheit.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.