Der Ton macht die Musik
MÜNCHEN/BERLIN - Losbrüllen und runterputzen ist nicht der richtige Weg - wer konstruktiv Kritik üben möchte, sollte dabei gelassen bleiben. Sonst gerät man schnell selbst in die Kritik
Kritik hört niemand gern. Aber manchmal ist sie unvermeidbar, wenn etwas schief läuft. Dann kommt es darauf an, sie geschickt zu formulieren. Wenn Kritik gut funktioniert, bringt sie einen weiter – sie kann auch komplett danebengehen.
Zu meckern gibt es immer etwas. Das gilt auch im Beruf. Sei es, dass ein Mitarbeiter sich am Arbeitstempo eines Kollegen stört oder den Chef die langen Pausen in seiner Abteilung nerven. Es ist aber nicht einfach, das so anzusprechen, dass es besser wird. Eben darum geht es bei gekonntem Kritisieren.
Oft klappt das nicht: „Manche können überhaupt nicht mit Kritik umgehen“, sagt Gitte Härter, Karrierecoach aus München. „Andere hören überall Kritik heraus.“ Und auch diejenigen, die Kritik üben, machen viel verkehrt. Mancher Vorgesetzte scheue vor Kritik zurück – aus Angst, sich unbeliebt zu machen. „Führungskräfte dürfen nicht wegschauen, wenn etwas schiefläuft, sondern sollten das offen ansprechen“, so Härter.
Immer objektiv bleiben
Die erste Frage auf dem Weg zu gelungener Kritik muss lauten: „Was ist mein Motiv?“, erläutert Härter. „Will ich dem anderen eins reinwürgen, oder will ich etwas erreichen?“ Im ersten Fall ist die Kritik nur Vorwand, im zweiten die Chance größer, Gehör zu finden.
Kritik ist oft aber sehr subjektiv: Was der eine schlecht findet, findet ein anderer ganz in Ordnung. „Man muss deshalb die eigenen Maßstäbe kritisch hinterfragen“, empfiehlt Svenja Hofert, Karriereberaterin in Hamburg. Wichtig ist auch zu klären, wer der Adressat sein soll. Es bringt wenig, in einer Teambesprechung Kritik zu üben, wenn unklar ist, wen genau sie meint. „Wenn im Team zehn Leute sitzen, der Chef aber nur zwei im Auge hat, sind die acht anderen demotiviert. Und die zwei, um die es geht, fühlen sich nicht angesprochen“, erklärt Härter. Kritik muss außerdem verhältnismäßig sein: „Man sollte rüfen, ob der Anlass es wert ist“, sagt Kommunikationstrainerin Meike Müller aus Berlin. Zu lange darf nicht gewartet werden: „Es ist besser, etwas möglichst früh anzusprechen. Jeder Konflikt war mal ein Konfliktchen.“
Ich-Botschaften senden
Viel hängt dabei vom Wie ab: „Am besten formuliert man Ich-Botschaften“, rät Müller. Also nicht: „Du hast dich total daneben benommen.“ Sondern: „Ich habe mich geärgert, als Du so laut geworden bist.“ Vorwürfe provozieren Abwehr, Ich-Botschaften helfen anderen, ihr Verhalten zu hinterfragen.
Es sei falsch, das Gespräch mit Vorwürfen zu beginnen. Am besten stehe am Anfang eine sachliche Beschreibung, was zu kritisieren ist – so formuliert, dass der andere zustimmen kann. „Dann sollte ich über meine Gefühle sprechen, also zum Beispiel sagen, dass ich wütend bin“, rät Müller. Im nächsten Schritt muss dem anderen gezeigt werden, welche Folgen sein Verhalten haben kann.
Zur Kritik gehört auch, eine Erwartung zu formulieren. Die sollte möglichst konkret sein – etwa so: „Ich wünsche mir, dass Sie das nächste Mal vorbereitet in die Sitzung kommen.“ Müller empfiehlt, das Ergebnis des Gesprächs kurz festzuhalten, etwa in einer Mail an den Mitarbeiter. Sinnvoll kann sein, ein weiteres Gespräch nach acht Wochen zu vereinbaren und Bilanz zu ziehen: Hat sich etwas gebessert? Falls nicht, warum nicht? Gut für jedes Kritikgespräch ist ein versöhnliches Ende: „Was man als Letztes sagt, wirkt am längsten nach.“
Der richtige Zeitpunkt
Gelungene Kritik ist vor allem eine Frage des Timings. Vorgesetzte, die unbeherrscht reagieren, sollten lieber einen Tag verstreichen lassen, bevor sie einen Mitarbeiter zum Kritikgespräch bitten. „Wer leicht aus der Haut fährt, kritisiert zu heftig“, so Karriereberaterin Hofert. „Dann hilft manchmal schon ein Zettel am Monitor, auf dem 'Durchatmen!' steht. Das Luftholen verhindert das Lospoltern.“
Gefühle zeigen
Feedback-Kultur ist aktuell ein populäres Schlagwort. „Viele wünschen sich, dass am Arbeitsplatz Feedback gegeben und Kritik geübt wird“, hat Kommunikationstrainerin Müller beobachtet. „Das finden einerseits fast alle gut, andererseits haben auch nicht wenige Angst davor.“ Selbst diejenigen, die selbstbewusst sagen „Kritik macht mir nichts aus“, fürchteten insgeheim doch, kritisiert zu werden. Der Verstand finde es zwar richtig, Kritik gutzuheißen. „Das Gefühl sagt aber oft etwas anderes.“ Im Feedback-Gespräch sollte man sich daher klarmachen, dass es immer auch um Gefühle geht: Schließlich kann Kritik sehr verletzend sein.
Andreas Heimann
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