Der Steuer-Irrsinn

Luxemburg - Das deutsche Mehrwertsteuerrecht gehört sicher zum skurrilsten, was die internationale Gesetzgebung zu bieten hat – jetzt hat es auch das höchste europäische Gericht erreicht. Gestern musste der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg sich damit befassen, ob und warum Taxis steuerlich etwas anderes sind als Mietwagen mit Chauffeur.
Antwort der EU-Richter: „Könnte sein.“ Damit wiesen sie den Fall zurück an den Bundesfinanzhof, der das EuGH angerufen hatte. Geklagt hatte eine Firma, die Mietwagen mit Chauffeur anbietet, dafür aber 19 Prozent Mehrwertsteuer abrechnen muss und nicht sieben Prozent wie Taxis, auch wenn es sich um die gleiche Dienstleistung – Krankentransporte – handelt.
Kein Wunder, dass das EuGH wenig Lust hatte, in den deutschen Mehrwertsteuer-Dschungel einzusteigen – man kann sich nur verirren. Der Grundgedanke war mal, dass alltägliche Güter, die auch ärmere Menschen häufig nutzen, den niedrigeren Satz bekommen. Auf Luxus dagegen wird der höhere Satz fällig. Doch mittlerweile ist daraus ein System mannigfaltiger Absurditäten geworden.
Beispiel Esel. Sieben Prozent werden für Pferde fällig, für Eselhengst-Pferdestute-Kreuzungen und auch Pferdehengst-Eselstute-Kreuzungen. Nicht aber für reinrassige Esel, da gelten die 19 Prozent. Es sei denn, sie sind tot, dann sind es wieder sieben.
Beispiel Moose. Frisches Moos ist begünstigt, trockene Gestecke (wie Adventskränze) nicht. Vorsorglich warnt das Gesetz: „Trockenmoos wird durch Anfeuchten nicht wieder zu frischem Moos.“ Und, ach ja: Islandmoos (Cladonia silvatica) gibt’s für sieben Prozent, Isländisches Moos (Cladonia islandica) für 19.
Beispiel Currywurst. Wird sie im Stehen oder Gehen gegessen, kommt man mit sieben Prozent Mehrwertsteuer davon. Im Sitzen werden 19 Prozent fällig. Nun hat der Bundesfinanzhof klargestellt, dass „Verzehrvorrichtungen wie Ablagebretter“ immer noch für die vergünstige Version erlaubt sind, nicht aber Bierbänke oder -tische. Und stellt klar: Sind Bänke vorhanden, müssen 19 Prozent gezahlt werden, selbst wenn man daneben steht oder drumherumgeht beim Kauen.
Beispiel Saft und Co. Frisches Obst wird ermäßigt besteuert. Ebenso dickflüssige Säfte (sogenannte Smoothies). Nicht aber dünnflüssige Säfte, da werden 19 Prozent fällig. Richtig lustig wird es dann in Kombination mit Milch: Milch an sich ist begünstigt, frisches Obst eben auch. Mixt man beides, ist das Produkt solange steuerermäßigt, wie der Obstanteil unter 25 Prozent bleibt. Darüber nicht mehr.
Sonstiges. Die Liste füllt Bände: Auf Trüffel werden sieben Prozent fällig, es sei denn, er ist mit Essig zubereitet. Tomatenmark ist begünstigt, aber nicht, wenn es Zusätze hat, wie Basilikum. „Wirbellose Wassertiere“ kosten sieben Prozent, Hummer nicht (haben die Wirbel?). Auf Tiere wird der ermäßigte Satz fällig, nicht aber auf Hunde, Katzen und, aha, Kanarienvögel.
Alle Versuche, das zu vereinheitlichen, sind bisher gescheitert. Hebt man den unteren Satz an, würde dies Lebensmittel verteuern. Senkt man den oberen, verliert der Staat Milliarden. Als letztes versprach Schwarz-Gelb eine große Reform – als Abbitte für die Mehrwertsteuersenkung für die Hoteliers. Nicht aber fürs Frühstück.