Der Obama-Faktor
Der Amerikaner hat in Berlin etwas geschafft, das lange keinem deutschen Politiker mehr gelungen ist. Frank Müller über die Rede von Barack Obama.
Barack Obama hat am Donnerstagabend in Berlin viele kluge, mitreißende und wahre Sätze in die Menge an der Siegessäule gerufen. Vor allem aber hat er ein nicht für möglich gehaltenes Wunder geschafft: Obama ist es gelungen, mehr als 200.000 Menschen zu einer politischen Grundsatzrede zu holen – ein Erfolg, den man auch in Zeiten von Eventmeilen und Public Viewing kaum überschätzen kann.
Und das mit einer Rede, die nicht die große Show war, die nicht das große neue Berlin-Zitat in der Folge von Kennedys „Ich bin ein Berliner" lieferte, an das man sich noch nach Jahrzehnten erinnern kann. Nein, Obamas Auftritt war die kurze, nüchterne und entschlossene Predigt, die alles streifte. Eine Rede, die nicht in politische Details ging und dennoch die Herzen der Berliner und der Deutschen erreichte.
Das ist lange keinem deutschen Politiker mehr gelungen. Und das hat eben damit zu tun, dass es der heimischen Politik an der entscheidenden Kombination von Obama-Faktoren fehlt: Führung, Charisma, visionäre Ziele, und das extrem professionell dargeboten – das macht den Unterschied aus.
Wer die Menschen so packen kann wie Obama, der erlebt sie plötzlich nicht mehr als politikverdrossen – noch nicht einmal, wenn es um unbequeme Botschaften geht. Auch die enthielt Obamas Rede. Alleine das zusätzliche Engagement für Afghanistan, das der Kandidat recht klar anmahnte, wird Deutschland noch mehr Kopfzerbrechen bereiten als manche Aktion von George W. Bush. Auch das ist ein Teil der Obama-Botschaft „Change".
Der Autor ist stellvertretender Chefredakteur der Abendzeitung
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