Der Mindestlohn auf dem Weg

Die Lohnuntergrenze nimmt Gestalt an: Es gibt Bewegung auf allen Seiten. Die AZ skizziert, was geplant ist, welche Ausnahmen es geben könnte und wo es noch hakt
tan |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
8,50 Euro: So viel soll es künftig für jede Stunde Arbeit in Deutschland geben. Die Tücken liegen aber noch im Detail.
8,50 Euro: So viel soll es künftig für jede Stunde Arbeit in Deutschland geben. Die Tücken liegen aber noch im Detail.

Die geplante Lohnuntergrenze nimmt langsam Gestalt an: Es gibt Bewegung auf allen Seiten. Die AZ skizziert, was geplant ist, welche Ausnahmen es geben könnte und wo es noch hakt

Berlin - Es ist das zweite große Projekt neben der Rente: der flächendeckende Mindestlohn. Langsam nimmt er Gestalt an: Arbeitsministerin Andrea Nahles hat Fragebögen an Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und Branchen verschickt, die bis Ende dieser Woche beantwortet sein müssen. Und: Der Widerstand in der Union gegen eine umfassende Regelung weicht langsam auf. Die AZ erklärt, was sich abzeichnet.

Was ist geplant? Der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde ab 1. Januar 2015 ist im Koalitionsvertrag schon relativ detailliert festgeschrieben worden. Einzelne Branchen, wo jetzt niedrigere Tariflöhne gelten, haben bis 1. Januar 2017 Zeit, mitzuziehen. Der Einstiegswert wird jetzt von der Politik festgesetzt, ab 2018 bestimmt eine Kommission die jährlichen Steigerungen. Sie ist mit drei Gewerkschafts- und drei Arbeitgebervertretern besetzt, jede Seite darf einen Experten benennen.

Was ist noch offen? Die große Streitfrage ist, welche Ausnahmen es geben soll. Sind es zu viele, besteht die Gefahr, dass gut ein Drittel der jetzigen Niedriglöhner nichts von dem Gesetz hat (so eine Studie unter der Annahme, dass jede von der Union geforderte Ausnahme kommt). Zweite große Gefahr: Die Arbeitgeber weiten die Ausnahme-Modelle erst recht aus und bauen so reguläre Jobs ab. Sind es aber zu wenige Ausnahmen, werden negative Folgen gerade für junge Leute befürchtet.

Welche Ausnahmen sind im Gespräch? Bereits festgezurrt ist, dass Azubi-Gehälter und Schülerpraktika nicht unter den Mindestlohn fallen. Umstritten sind vor allem Sonderregeln für Rentner, Studenten und Mini-Jobber. Hier hatte die Union bisher geschlossen Ausnahmen gefordert. Doch nach einem SZ-Bericht rückt der Arbeitnehmerflügel nun davon ab: „Das könnte dem Gleichheitsgrundsatz in der Verfassung zuwiderlaufen“, warnt ihr Positionspapier. Auch Extra-Regeln für Mini-Jobber seien „weder rechtlich möglich noch sinnvoll“ – weil sonst die Arbeitgeber Normalarbeitsplätze zu Mini-Jobs umbauen würden, um die Lohnuntergrenze zu umgehen. CSU-Chef Seehofer ist neulich von der Rentner-Forderung bereits abgerückt, seine Position zu Mini-Jobbern lässt er noch offen. Ebenfalls im Gespräch sind Ausnahmen für Saison-Arbeitskräfte.

Was ist mit jungen Leuten? Die Unions-Arbeitnehmer wie auch andere – etwa die Grünen, die grundsätzlich für einen weit gefassten Mindestlohn sind – fordern dringend Altersgrenzen, etwa, dass der Mindestlohn erst ab 21 gilt. Ähnliche Regeln gelten auch in vielen anderen Ländern mit Mindestlohn. Denn ohne eine solche Grenze könnten viele junge Menschen versucht sein, keine Ausbildung zu machen oder sie abzubrechen, sondern sich kurzfristig vom besserbezahlten Handlanger-Job locken zu lassen. Ein Problem sind auch Praktikanten: Hier fordern die Unions-Arbeitnehmer, nicht nur Schüler auszunehmen, sondern alle Praktika, die dem Sammeln von ersten Berufserfahrungen dienen oder die in der Studienordnung vorgeschrieben sind. Gilt der Mindestlohn, müsste Praktikanten 1400 Euro im Monat bezahlt werden – das würde die Zahl der Plätze drastisch schrumpfen lassen.

Und Langzeitsarbeitslose? Auch das ist ein Problem. Hier fordert die Union zeitlich befristete Einstiegslöhne, um ihnen den Weg in den Arbeitsmarkt nicht zu verbauen. Gewerkschafter warnen, dass Arbeitgeber dann versuchen werden, Langzeitarbeitslose eben so lang einzustellen, wie sie niedriger bezahlt werden dürfen – und sie dann raushauen.

Wer profitiert überhaupt? Aktuell verdienen laut einer DIW-Studie 5,2 Millionen Arbeitnehmer (15 Prozent) weniger als 8,50 Euro. Darunter sind 14 Prozent Mini-Jobber, kanpp 500 000 Schüler und Studenten, 410 000 Rentner, 290 000 Arbeitslose mit Zuverdienst, zwei Millionen reguläre Vollzeitkräfte und 1,3 Millionen Teilzeitkräfte.

Was sind die Risiken? Wirtschaftsverbände warnen vor dem Verlust von Jobs. Diese Gefahr ist in der Industrie laut Studien eher gering, dort wird ohnehin besser bezahlt. Heikler ist es im Dienstleistungssektor. Vor allem in ärmeren Regionen, wo höhere Preise schwer durchzusetzen sind, drohen Entlassungen, wenn die Löhne steigen.

 

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
Teilen
lädt ... nicht eingeloggt
 
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.