Der Hochspannungs-Gipfel
Bei der Energiewende holpert es. Sowohl Privatkunden als auch die Industrie wollen nicht mehr zahlen.
BERLIN Je grüner desto besser: Die Koalition zieht mit dem Anspruch, die Energiewende eingeleitet zu haben, in den Bundestagswahlkampf. Aber es hakt beim Umbau der Energieversorgung. Gestern traf sich Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Fachministern, Konzernbossen und Vertretern von Umweltverbänden zu heiklen Gespräche. Nur mit einem Machtwort könnte Bundeskanzlerin Angela Merkel Klarheit schaffen.
Die Strompreisbremse: Auf eine Billion Euro bezifferte Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) die Kosten für die Energiewende bis zum Ende der 2030er Jahre. 680 Milliarden Euro entfallen in dieser Rechnung auf die Einspeisevergütungen. Dazu kommen Kosten für den Netzausbau, die Sicherstellung der Reservekapazitäten, die Forschung und Entwicklung sowie die Elektromobilität und Gebäudesanierung. Ein großer Teil der Kosten wird auf die Strompreise umgelegt. Das schmerzt Privatkunden. Jetzt will Altmaier die Reißleine ziehen. Er gab sich gestern zuversichtlich, dass ein Gesetz über eine Stromkostenbremse zum 1. August in Kraft treten könnte. Allerdings müssen sich dazu Bund und Länder einigen. Am 21. März trifft sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Länderchefs. Die
Ausnahmeregeln für Umweltsünder: Erst am Mittwoch hatte das Düsseldorfer Oberlandesgericht entschieden, dass es nicht angeht, Großkunden von den Netzentgelten auszunehmen. Das Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig, aber ob es in der nächsten Instanz gekippt wird, ist fraglich. Außerdem steht die EU-Kommission der deutschen Politik auf den Füßen und hat angedeutet, dass sie die Sonderregelungen für die Industrie zweifelhaft findet. Erhärtet sich der Eindruck der Kommission, müssen die Firmen genauso wie andere Kunden die Netzentgelte bezahlen – und zwar auch rückwirkend. Die Vorbehalte des Gerichts und der EU-Kommission sind Wasser auf die Mühlen von Minister Altmaier, der nach Wegen sucht, die Energiewende zu finanzieren. Gestern gab sich Bundeskanzlerin Angela Merkel kompromissbereit, ohne sich festzulegen. Eine Neufassung der Verordnung über Netzentgelte sei bereits in Planung sagte sie. „Wir müssen ein faires Verfahren finden, um die wirklich im weltweiten Wettbewerb stehende Industrie nicht zu benachteiligen.“ Ein Regierungs-Entwurf vom Dienstag sieht noch Rabatte von bis zu 90 Prozent für Firmen vor.
Die Stromtrassen: Soll Ökostrom in Zukunft Strom aus Gas und Kohle ersetzen, müssen neue sündteure Leitungen gebaut werden. Vor allem in die Nord-Süd-Verbindung, die Windstrom von der Küste in den Süden leiten soll, muss Geld investiert werden. Geplant sind drei neue Trassen von insgesamt 2800 Kilometern Länge. Zudem sollen im Höchstspannungsnetz 2900 Kilometer optimiert werden, so dass sie die schwankenden Stromspannungen aushalten, die entstehen, wenn mal mehr, mal weniger Strom aus Sonnenkollektoren kommt. Planungs- und Bauzeiten sollen von zehn auf vier Jahre verkürzt werden. Die Kosten für dieses ganze Paket werden auf zehn Milliarden Euro geschätzt. Die Energiekonzerne schwimmen zwar im Geld, erwarten aber Unterstützung von der öffentlichen Hand. Die Notfallkraftwerke: Deutschland braucht Gaskraftwerke, die im Notfall angeworfen werden können, um einen Blackout zu vermeiden. Die Industrie will diese Kraftwerke vorhalten – aber nicht umsonst. Gelingt es nicht, eine Einigung darüber zu finden, ist Deutschland länger auf Strom aus Kohlekraftwerken angewiesen, die verhältnismäßig viel CO2 in die Luft blasen. Im Jahr 2022 sollen die deutschen Atommeiler endgültig vom Netz gegen. Bis dahin muss eine neue Stromversorgung stehen.
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