Der große Aderlass
Die Spaltung der Gesellschaft setzt sich in Deutschland rapide fort. AZ-Redakteurin Susanne Stephan über die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich.
Zwei Meldungen vom Wochenende: Die Hypo-Vereinsbank entledigt sich eines weiteren Teils ihrer Belegschaft. Betroffen sind 550 Menschen, viele mit geringer Qualifikation, die etwa als Hausmeister für das Geldhaus gearbeitet haben. Und eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey: Demnach schwindet der deutsche Mittelstand. Bis 2020 wird er aller Voraussicht nach zehn Millionen Menschen weniger zählen als Anfang der 90er Jahre.
Immer selbstbewusstere Investoren, immer besser bezahlte Manager, immer ohnmächtigere Belegschaften: Die zunehmende Spaltung der Gesellschaft in Oben und Unten gibt der extremen Linken und der Rechten Zunder. Schon aus Eigeninteressen wären die etablierten Parteien deswegen gut beraten, der Schwindsucht des Mittelstandes entgegenzuwirken: Mit Investitionen in bessere Schulen und Hochschulen beispielsweise, mit einer zielstrebigeren Arbeitsmarktpolitik, mit einer konsequenteren Förderung von Existenzgründungen.
Doch was passiert statt dessen ? Die Liebedienerei der Vorstände gegenüber den Aktionärsinteressen geht mit einer Entprofessionalisierung der Politik einher. Die schert sich immer weniger darum, Probleme wirklich zu lösen, als darum, was auf die Schnelle Wählerstimmen bringt. Die Pendlerpauschale, wie es die CSU jetzt fordert, wieder rauf, ebenso die Steuer-Freibeträge auch für Gutverdiener – so werden Milliarden unters Volk gebracht, ohne dass auf die Fragen, die die Globalisierung aufwirft, auch nur ansatzweise eine Antwort gegeben wäre.
Susanne Stephan
Die Autorin ist Wirtschaftsredakteurin der Abendzeitung
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