Der Google-Papa zieht sich zurück

Überraschender Führungswechsel bei Google. Firmen-Mitgründer Larry Page übernimmt das Ruder – angeblich, weil er lange genug zugesehen hat, wie der Job eines Geschäftsführers läuft.
Es ist schon der zweite überraschende Führungswechsel bei einem Internet-Schwergewicht innerhalb weniger Tage: Kurz nachdem Apple-Chef Steve Jobs eine Auszeit ankündigte, zieht sich Google-Chef Eric Schmidt aus dem Tagesgeschäft zurück. Er wird Chef des Verwaltungsrates, um die Firmenleitung kümmert sich jetzt Google-Mitgründer Larry Page.
Der Suchmaschinenbetreiber stellt die Personalie als Generationswechsel dar. „Tägliche Aufsicht durch Erwachsene nicht mehr nötig!“, frozzelte Eric Schmidt über Twitter. Will heißen: Er habe das Gefühl, der 37-jährige Larry Page habe ihm lange genug über die Schulter gesehen und könne jetzt selbst das Unternehmen führen.
Page hatte Google 1998 zusammen mit seinem Studienkollegen Sergey Brin aus der Taufe gehoben. Sie waren begnadete Entwickler, doch als Geschäftsführer Anfänger. Deshalb holten sie 2001 den erfahrenen Manager Schmidt, quasi als Familienoberhaupt.
Jetzt also die Stabsübergabe vom Firmen-Vater an die „Kinder“ – eine Darstellung, die Fragen offen lässt. Warum sollte Page, der Internet-Visionär, auf einmal seine Begeisterung für betriebswirtschaftliche Details entdeckt haben? Und warum sollte Eric Schmidt sich mit nur 55 Jahren aufs Altenteil zurückziehen, Google-Mitgründer Sergey Brin ins zweite Glied zurücktreten wollen?
Immerhin: Aus welchem Grund auch immer Page die Führung übernimmt – der Anfang wurde ihm leicht gemacht. Google kann vor lauter finanzieller Kraft kaum noch laufen. Allein im abgelaufenen Quartal verdiente der Konzern satte 2,5 Milliarden Dollar – indirekte Folge des beispiellosen Aufstiegs, den er unter Schmidts Führung seit 2001 hingelegt hatte.
Während sich Heerscharen von Yahoo-Mitarbeitern mitten im beginnenden Internet-Boom weltweit die Finger wundtippten beim hilflosen Versuch, die Flut der täglich wachsenden Webseiten zu katalogisieren, setzte Google auf Rechnerintelligenz. Ausgefeilte Algorithmen durchkämmen seitdem das Internet – und Google verwendet viel Akribie darauf, die fähigsten Köpfe der Software-Welt für sich zu gewinnen, um diese Algorithmen zu optimieren. Wer sich bei Google bewirbt, muss herausragende akademische Leistungen vorweisen – „ein Nobelpreis schadet nicht“, sagt ein Firmenkenner nur halb im Scherz.
Überstehen Bewerber den strengen Auswahlprozess, winken ihnen bestmögliche Arbeitsbedingungen. Die Züricher Europa-Zentrale von Google könnte man wegen ihrer zahllosen verspielten Rückzugsnischen, Ruhe-Oasen und Spiel-Angeboten eher für eine Wellness-Oase als für ein Büro halten – wären dort nicht die allgegenwärtigen Laptops, an denen oft bis in die späten Abendstunden gearbeitet wird. Nichts soll den kreativen Geist bremsen, auch nicht der unerfüllte Wunsch nach Snacks. Deswegen sind alle Arbeitsplätze so arrangiert, dass es kein „Googlianer“ weiter als 30 Meter zur nächsten Teeküche hat.
Aber das Paradies ist bedroht, permanent. Eine der Gefahren ist Facebook – auch wenn das Unternehmen, was Größe und Know-How angeht, gegenüber Google geradezu lächerlich wirkt. Aber die Macht ihrer sozialen Beziehungen könnte Menschen eines Tages dazu bringen, über Facebook statt über Google Suchanfragen zu starten – wenn Facebook seiner Gemeinde eine nur halbwegs brauchbare Suchmaschine zur Verfügung stellt. Beim Bemühen, privaten Nutzern andere Anwendungen nahezubringen, ist Google nicht immer erfolgreich. Google TV floppte vorerst. Auch der Email-Dienst Gmail krebst bei niedrigen Marktanteilen herum.
sun