Der Fluch des Dollar als Leitwährung

Ein Ultimatum nach dem anderen: Warum uns die Zitterpartien um den US-Haushalt so treffen.
von  Susanne Stephan

 

WASHINGTON/NEW YORK Nach der Krise ist vor der Krise. Die USA haben ihren Haushalt unter Dach und Fach, vorerst. Der nächste Showdown droht Mitte Dezember, wenn eine Kommission einen Plan für die Sanierung der Staatsfinanzen vorlegen soll, gefolgt vom 15. Januar (Ende der Frist für den Übergangshaushalt) und dem 7. Februar (Auslaufen des neuen Schuldenlimits für die USA). Es bleibt spannend.

Der Kurs des Dollar hat sich seit der Einigung deutlich erholt, zur Erleichterung der Wirtschaftswelt. Eine auch nur vorübergehende Zahlungsunfähigkeit der USA wäre „so etwas wie der Zusammenbruch von Lehman gewesen“, sagt Martin Hüfner von der Vermögensverwaltung Assénagon. Mit anderen Worten: Das Gefeilsche der US-Parlamentarier um verpflichtende Krankenkassenbeiträge für die US-Bürger (oder andere Streitpunkte) hat’s in sich, die Welt in eine Rezession zu stürzen.

 Ein Ausweg aus dieser Abhängigkeit ist nicht in Sicht. Zu wichtig sind amerikanischen Staatsanleihen und damit der Dollar. Die Staatspapiere sind dafür da, um den amerikanischen Haushalt zu finanzieren, erfüllen darüber hinaus aber rund um den Globus weitere Funktionen. Sie werden unter anderem als Bezugsgröße verwendet, um andere Staats- oder Unternehmensanleihen abzusichern.

Ihr Vorteil gegenüber anderen Wertpapieren ist die schiere Masse: Die Schulden der USA betragen zurzeit rund 17,5 Billionen (17,5 Tausend Milliarden) Dollar. Wertpapiere in dieser Höhe wurden also ausgegeben, und stehen Anlegern zur Verfügung, die Geschäfte absichern, Schulden begleichen oder – wie China – einfach nur ihr Geld anlegen müssen. Keine andere Volkswirtschaft kann Anlagemöglichkeiten in dieser Größenordnung bieten: Europa nicht, weil die Einzelstaaten des Euroraumes getrennte Haushalte und Schuldenverwaltungen haben, China schon allein deshalb nicht, weil dessen nationale Währung nicht frei gehandelt werden kann. Wer auf die Schnelle eine Billion Euro parken will, muss zu US-Staatsanleihen greifen.

Allein schon die Verschuldung der Vereinigten Staaten bringt es also mit sich, dass der Dollar unverzichtbar bleibt. Dieser Umstand schafft Abhängigkeiten und legt sich aufs Gemüt der Anleger. „Das Hin und Her in Amerika führt dazu, dass Investitionen aufgeschoben werden“, sagt Volkswirt Martin Hüfner. Niemand hat ein Patentrezept, aber „jeder prüft sein Portfolio und sucht einen Plan B“ – eine Notlösung für den Fall, dass aus dem Gezündel der Parlamentarier in Washington doch ein ökonomischer Brand wird.

China macht währenddessen aus der Not eine Tugend. Die jüngste Zitterpartie liefert den Vertretern der Volksrepublik gute Argumente, um gegenüber den USA auf mehr Einfluss zu pochen. Wenn sich bei euch nichts ändern, verkaufen wir eure Anleihen, dürften die Chinesen zurzeit in Washington drohen. Dies kann der US-Regierung nicht egal sein. Werden in hohem Umfang Anleihen auf den Markt geworfen, steigt automatisch der Zins – pures Gift für die amerikanische Wirtschaft. Zuguterletzt nutzt China die aktuelle Schwäche der amerikanischen Führung in Asien: Je unberechenbarer Washington, desto verlässlicher präsentiert sich Peking seinen Nachbarn. sun

 

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