Der Energieanbieter Flexstrom ist pleite
BERLIN/MÜNCHEN Die Stadtwerke Wuppertal zogen schon zu Beginn des Jahres die Reißleine. Sie kündigten die Zusammenarbeit mit zwei Tochterfirmen des Billigstromanbieters Flexstrom. Der Grund: miese Zahlungsmoral. Über 500000 private Flexstrom-Kunden werden ihren Anbieter jetzt unfreiwillig los: Flexstrom ist pleite, viele Verbraucher werden ihre per Vorkasse geleisteten Gebühren wohl nicht wiedersehen.
Auch die Tochtergesellschaften Optimal Grün und Löwenzahn Energie stellten jetzt Anträge auf Insolvenz. Nur das Geschäft der Gastochter Flexgas wird von einem Investor weitergeführt. Mit Flexstrom wirft jetzt schon der zweite Stromanbieter das Handtuch. Im Juni 2011 hatte der Discounter Teldafax Insolvenz angemeldet. Damals fand der Insolvenzverwalter 240000 ungeöffnete Briefe in der Teldafax-Verwaltung vor, die meisten von ihnen Kundenbeschwerden.
Viele Kundenbeschwerden. Auch bei Flexstrom beschwerten sich die Kunden bereits in den letzten Wochen über unseriöse Praktiken. So lockte das Unternehmen Verbraucher mit Billigst-Tarifen gegen Vorkasse, setzte dann aber die Preise herauf. Ein verzweifelter Versuch, die Konten der Firma wenigstens kurzfristig irgendwie zu füllen? Das Vorkasse-Modell ermöglicht Firmen, ihre finanzielle Verfassung schönzurechnen.
Gerüchte über Zahlungsschwierigkeiten. Flexstrom gab an, dass die Hälfte der Kunden ihre Stromrechnung für ein Jahr im Voraus beglichen habe, weitere 25 Prozent ein Vierteljahr im Voraus. In der Branche wurde immer offener über Zahlungsschwierigkeiten bei Flexstrom gemunkelt. Die Münchner Stadtwerke verlangten von der Berliner Firma zuletzt monatliche Vorauszahlungen. Flexstrom selbst wies die Vermutungen, es sei in Schwierigkeiten, zurück: Auf den Konten sei genug Geld, niemand müsse sich Sorgen machen. Offensichtlich nicht die ganze Wahrheit.
Im vergangenen Herbst hatte Flexstrom vergeblich versucht, mit einer Anleihe Geld einzusammeln. Dann berichtete das „Handelsblatt“ über Zahlungsschwierigkeiten des Anbieters – der Anfang vom finanziellen Ende des Anbieters: Das Anleihe-Projekt konnte Flexstrom nach dem Bericht beerdigen, angeblich zahlten auch private Kunden ihre Rechnungen nicht mehr. Flexstrom behauptet jetzt, zuletzt auf Außenstände von 100 Millionen Euro gewartet zu haben. Im kalten Winter hätten viele Haushalte mehr Strom verbraucht, als in ihren Abschlagszahlungen kalkuliert worden sei. Dieses Geld fehle der Firma. Im Internet machten am Freitag Flexstrom-Kunden ihrem Ärger Luft. „Dreiste Bastarde“, „Idioten“ – die Verbraucher gingen mit dem Management hart ins Gericht. „Wer sein Geschäft so führt, der muss pleite gehen“, schrieb ein Mitglied der Facebook-Gruppe „Flexstrom-Geschädigte“. Erbost zeigten sich viele Nutzer darüber, dass ihnen vom Flexstrom-Management eine die Schuld am Ende der Firma gegeben wurde – obwohl viele von ihnen selbst in monatelangem Kleinkrieg um ihre Abrechnungen und um fällige Rückzahlungen gekämpft hatten. sun
Mein Anbieter ist pleite, was soll ich tun?
Geld zurückholen. Hat Flexstrom Geld abgebucht, sollten Sie der Abbuchung widersprechen, rät Daniela Czekalla von der Verbraucherzentrale Bayern. Das geht bis zu acht Wochen nach der Buchung, bei Online-Konten normalerweise auch vom heimischen PC aus. Strenggenommen ist die Rückbuchung vertragswidrig – aber bei einer Pleite bleibt dem Kunden nichts anderes übrig.
Der Strom fließt weiter. Keine Panik: Trotz Pleite kommt der Strom weiter. Deswegen müssen Kunden auch nicht übereilt zu einem anderen Anbieter wechseln. Daniela Czekalla rät, eine Ankündigung des Insolvenzverwalters über das Ende der Stromlieferung abzuwarten und sich in Ruhe nach einem neuen Anbieter umzusehen. Zuerst muss freilich das Insolvenzverfahren eröffnet werden. Das setzt voraus, dass genügend Geld auf den Firmenkonten ist, dass sich das Verfahren lohnt. Verabschiedet sich Flexstrom ohne Insolvenzverfahren vom Kunden, fällt der Verbraucher automatisch in die so genannte Ersatzversorgung. Er wird dann zum Grundtarif von den Stadtwerken beliefert. Andere Tarife sind günstiger, deswegen sollten Kunden diesen Tarif nicht allzu lange beibehalten.
Zähler ablesen. Daniela Czekalla rät, die aktuellen Zählerstände zu protokollieren, damit es später, nach dem Anbieterwechsel, bei der Abrechnung keinen Ärger gibt.
Forderung anmelden. Wer seine Vorauszahlung nicht rückgängig machen kann, ist schlecht dran: Er muss seine Forderung beim Insolvenzverwalter anmelden. Dabei sollte er sich aber aber darauf einstellen, dass er höchstens einen Teil des Geldes zurückbekommt.
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