Der Chef als Spion

Lidl ist überall: Laut dem Magazin „Stern“ ist Bespitzelung von Mitarbeitern ist in zahlreichen Firmen an der Tagesordnung. Aufgezeichnet wird alles, was besprochen wird.
von  Abendzeitung
Die Bespitzelung von Mitarbeitern bei Lidl war nach Informationen des «stern» kein Einzelfall. Auch Konkurrenten bedienten sich laut dem Magazin vergleichbarer Methoden.
Die Bespitzelung von Mitarbeitern bei Lidl war nach Informationen des «stern» kein Einzelfall. Auch Konkurrenten bedienten sich laut dem Magazin vergleichbarer Methoden. © dpa

MÜNCHEN/HAMBURG - Lidl ist überall: Laut dem Magazin „Stern“ ist Bespitzelung von Mitarbeitern ist in zahlreichen Firmen an der Tagesordnung. Aufgezeichnet wird alles, was besprochen wird.

In weitaus mehr Unternehmen als bislang bekannt, werden Mitarbeiter systematisch bespitzelt. Aufgezeichnet wird alles, was besprochen wird – vom Liebeskummer über Alkoholprobleme bis zu Krankheiten von Ehepartnern.

Die seitenlangen Spitzelprotokolle beim Discounter hatten in den vergangenen Wochen bundesweit die Gemüter erhitzt. In München regte sich zudem Unmut über die Kameraüberwachung in Biergärten von Hirschau bis Hofbräukeller (AZ berichtete). Jetzt kommt heraus: Die Spione sind noch weit flächendeckender unterwegs. Die Überwachung von Mitarbeitern ist in deutschen Unternehmen ein Massenphänomen.

Protokolle aus 150 Einzelhandelsfilialen

Wie der „Stern“ berichtet, gab es ähnliche Bespitzelungen auch bei anderen Discountern wie Aldi, Penny, Plus, Netto und Norma. Selbst anspruchsvolle Märkte wie Rewe, Edeka, Tegut, Hagebau oder Famila ließen demnach ihre Mitarbeiter observieren. Insgesamt liegen dem Magazin Protokolle aus 150 Einzelhandelsfilialen vor.

So beschreiben die Detektive einer Penny-Filiale in Hamburg: „Der Sozialraum ist eine Zumutung. Verbesserungsvorschläge: Austausch der Mitarbeiterinnen Frau G., Frau K. und Frau P. gegen qualifiziertes Personal, das mit anpacken will und die neuen Führungskräfte unterstützt.“ In einem Düsseldorfer Penny-Markt gingen sie ebenfalls zu weit: „Frau A. kommt aus Bayern und ist sehr rustikal im Umgang. Sie ist sehr wach und abgeklärt und sollte intensiver beleuchtet werden.“

Eklatanter Rechtsbruch

Die Fälle stellen einen eklatanten Rechtsbruch dar. Denn erlaubt ist das heimliche Ausspähen von Beschäftigten nur bei begründetem Verdacht einer Straftat. Der Rewe-Konzern, zu dem Penny gehört, teilte dem Magazin mit, dass die Detektive tatsächlich Mitarbeiter überwachen sollten, allerdings ausschließlich, um Diebstähle aufzuklären. „Eingriffe in die Privatsphäre unserer Mitarbeiter“ wolle man nun „vorbehaltlos aufklären"“.

Die Spitzelei scheint inzwischen Standard in der gesamten deutschen Wirtschaft zu sein. Mehr als jeder dritte Bürocomputer werde mittlerweile überwacht, so eine Untersuchung der Unternehmensberatung Mummert Consulting. Auch der Bundesverband der Detektive räumt ein, dass zwei Drittel der Aufträge aus der Wirtschaft stammen. Häufigster Wunsch der Kunden: das Verhalten der Mitarbeiter zu überwachen.

Beängstigend: Spionage-Software

Beängstigend ist die Spionage-Software „Orvell Monitoring“, angeboten vom Saarbrücker Unternehmen Protectcom. Der Produktname erinnert an den Schriftsteller George Orwell, der mit dem Überwachungsroman „1984“ und der Hauptfigur „Big Brother“ berühmt wurde. Installiert der Chef die Software auf den Computern seiner Mitarbeiter, bleibt nichts mehr geheim. Auf Wunsch kann sich der Arbeitgeber den Bildschirm der Untergebenen live anschauen. Die Software soll in Deutschland schon mehr als 100000 mal verkauft worden sein.

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