Der BMW i3 - zum Erfolg verdammt

Ab dem Herbst verkauft BMW sein Elektroauto i3. Die Aufregung ist groß, die Erwartung noch größer. Die Entwicklung kostete Milliarden – jetzt fehlen nur noch die Bestellungen der Kunden
Susanne Stephan |
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GERNLINDEN Ein Hoffnungsträger. Ein „Game Changer“, der das Spiel verändert, der die Welt des Automobils revolutioniert, neue Maßstäbe in der Kommunikation zwischen Mensch und Natur, Kunden und Herstellern setzt, eine neue Ära einläutet.

Darf man dieses Gerät überhaupt ein Auto nennen? Der Begriff wirkt fast ein wenig banal angesichts der Attribute, die dem i3 zugeschrieben werden, der ab dem Herbst verkauft wird. Sorgfältig hat BMW in den letzten Monaten die Aufregung um das Elektro-Vehikel orchestriert, mit Expertengesprächen, Präsentationen und jeder Menge Heimlichtuerei. Auch am Montag, als der Hersteller Presseleute zum Fahrtest auf das Gelände des früheren Fliegerhorsts Fürstenfeldbruck bat, blieben Teile des Fahrzeugs verdeckt – an Details werde noch gearbeitet, hieß es. Wer einen Blick auf die Materialien im Inneren werfen wollte, musste schon unter die Abdeckung spähen.

Die Erwartungen an den i3 sind immens. 665 Millionen Euro hat BMW allein in seine Werke investiert, um die Karbon-Fertigung möglich zu machen. Zusammen mit dem Chemieunternehmen SGL wurde im US-Bundesstaat Washington eine Fabrik aus dem Boden gestampft, die Carbon aus Japan zu Fäden spinnt. In Wackersdorf und Landshut entstehen daraus gewobene Matten, in Leipzig die Fahrgastzelle – um 50 Prozent leichter als in herkömmlicher Stahlbauweise. Inklusive der Entwicklungskosten dürfte BMW über zwei Milliarden Euro in das Strombaby investiert haben, ein Mehrfaches dessen, was andere Modelle verschlungen haben. BMW-Beschäftigte, die nicht direkt mit der Elektromobilität zu tun haben, stöhnen über den gewachsenen Druck im Unternehmen: Alles muss effizienter werden, unter anderem wegen der gewaltigen Kosten, die der Hersteller verdauen muss.

Und niemand weiß, ob die Elektro-Strategie aufgeht. Wieviele Bestellungen es bereits gibt? „Einige hundert“, war bisher zu hören, doch nicht einmal diese Zahl wollte Vertriebsvorstand Ian Robertson gestern bestätigen. 90000 haben sich für eine Testfahrt angemeldet, immerhin. Eine Verkaufsprognose wollte Robertson nicht nennen. Stattdessen schwelgt er in Facebook-Zahlen: 1,2 Millionen Nutzer des Netzwerks hätten sich als Fans von BMWi, dem Elektro-Projekt der Münchner, zu erkennen gegeben.

Jetzt müssen sie nur noch kaufen. Nur wenig unter 40000 Euro dürfte der kleine Flitzer kosten, eine Menge Geld angesichts der Schwierigkeiten, die der Besitzer in Kauf nehmen muss: Ohne Zusatzmotor beträgt die Reichweite maximal 200 Kilometer, bei sportlicher Fahrweise auch schon einmal weniger als 100 Kilometer. Dann muss die Batterie nachgeladen werden – wenn denn eine Ladestation in der Nähe ist.

Aber in immer mehr Ballungszentren der Welt werden die Luft dick und die gesetzlichen Vorschriften für Autoabgase strenger. Und die Politik macht den Herstellern auf EU-Ebene mit niedrigeren Grenzwerten für den Flottenverbrauch Druck. Will BMW auch weiterhin seine leistungsstarken Benziner verkaufen dürfen, muss der Hersteller gleichzeitig Autos bauen, die kein Kohlendioxid in die Luft blasen. Eine Null-Profit-Veranstaltung darf die Elektromobilität für BMW aber nicht werden. Frustriert blickt man in München auf Staaten wie Großbritannien, Frankreich oder Belgien, die Käufern von Elektroautos Prämien von einigen tausend Euro zahlen. BMW liegt Berlin in den Ohren, Vergleichbares zu bieten – und nicht nur der deutschen Politik: „Sie können versichert sein, dass wir mit allen Regierungen sprechen“, sagte Vertriebsvorstand Ian Robertson gestern.

Eine Fahrgaudi wie mit dem Autoscooter auf der Wiesn

 

Eher unscheinbar steht er da, der Hoffnungsträger von BMW. Irgendetwas zwischen einem Smart, einem Golf und einem Fiat 500. Vier Meter lang, ausreichend Platz für Fahrer und Beifahrer, während es hinten etwas eng wird. Der Kofferraum umfasst 250 Liter. Ein normales Auto – oder doch nicht? Ab dem Start ist gar nichts wie gewohnt. Der Motor kennt nur vorwärts, rückwärts und den Leerlauf, und er zeigt seine 170 PS eindrucksvoll: In gut sieben Sekunden auf 100 Sachen. Das ganze praktisch ohne jeden Laut. Ab 150 km/h wird abgeregelt, um den Akku zu schonen.

In der Kurve wird der Nachteil des E-Antriebs – die 230 Kilogramm schwere Batterie – zum Vorteil: Der Akku ist im Unterbau zwischen den Reifen verbaut. Das sorgt für gute Straßenlage. Weil zwischen den Vorderrädern viel Luft ist, bleibt der Wendekreis unter zehn Metern. Damit wird der i3 vielleicht nicht zum Kurvenwunder, aber zu einer agilen Seifenkiste, die Fahrt zur Gaudi wie mit dem Autoscooter auf der Wiesn. Wie der Scooter verzögert der i3 auch sofort, wenn der Fahrer vom Gas geht. Das dient der so genannten Rekuperation, der Rückgewinnung von Energie. Wer vorausschauend fährt, braucht nebem dem regenerativen Verzögern keine Bremse.

Weil bei dem i3 irgendwie alles Öko sein soll, hat BMW neben dem Karbon weitere ungewohnte Materialien verbaut. Die Innen-Verkleidung der Türen ist zum Teil aus Kenaf (einer Hanfpflanze) und erinnert entfernt an Pappmasché. Das in den Sitzbezügen verarbeitete Leder wurde ökologisch gegerbt, und am Armaturenbrett kommt unbehandeltes Eukalyptus-Holz zum Einsatz. Neu ist auch die Navigation (gegen Aufpreis) die mit dem Smartphone des Fahrers vernetzt wird. Ohne konventionellem Zusatzmotor, der den Ladezustand der Batterie konstant hält, beträgt die Reichweite schließlich nur 100 bis 200 Kilometer – das macht die Planung einer Fahrt unter Umständen aufwendig. Das Navi im Auto und die Handy-App berechnen anhand der Straßensituation und dem Ladezustand der Batterie, wie weit der i3 noch kommt und zeigen die nächstgelegene Ladestation. Je nachdem, ob diese Haushaltsstrom liefert oder schnell lädt, ist der Akku nach 30 Minuten (Schnellladestation), drei Stunden („Wall Box“ von BMW) oder innerhalb von sechs Stunden (Haushaltssteckdose) zu mindestens 80 Prozent aufgeladen. Einen Preis von 25 Cent pro Kilowattstunde vorausgesetzt, dürften 100 Kilometer mit dem i3 drei bis gut vier Euro kosten.

Um zu vermeiden, dass der Akku leerläuft, schaltet die Bord-Elektronik bei Bedarf in den Sparmodus. Und das Navi zeigt die besten Optionen zum Weiterfahren auf: Der Umstieg in die nächste U-Bahn – oder, wenn es sein muss, auch mal ein Fußmarsch bis zum Ziel. sun

 

 

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