Der Anti-Kapitalist
Ethische Maßstäbe in der Wirtschaft wären ein Segen - AZ-Redakteur Michael Heinrich über die neue Papst-Enzyklika.
Es gibt viele Anlässe, wegen derer der Papst – auch von unserer Zeitung – immer wieder kritisiert wird. Das sture Nein zu Kondomen; die Haltung gegenüber Homosexuellen; die Rolle des Bremsers bei der Ökumene; der Zölibat – um nur einige zu nennen. Doch manchmal hat sich Benedikt XVI. auch Lob verdient.
Wegen der Enzyklika „Caritas in veritate“ zum Beispiel. Sie ist eine knallharte Abrechnung mit dem dieWelt regierenden Turbo-Kapitalismus. Und es ist mehr als ein kleiner Nadelstich, dass dieses zukunftsweisende Papier ausgerechnet einen Tag vor dem heute beginnenden G8-Gipfel erschienen ist. Denn in L’Aquila werden die Staatschefs wieder genau das machen, was das Oberhaupt der katholischen Kirche anprangert. Sie werden mit den herkömmlichen Instrumenten der unsozialen Marktwirtschaft die Globalisierung zementieren, genauso wie die immer weiter auseinander driftenden Unterschiede zwischen Arm und Reich.
Wenn in der Wirtschaft ethische Maßstäbe als Werkzeug gebraucht würden, statt Aktienkurse und Gewinnmaximierung, wäre das ein Segen für die Gerechtigkeit. Auch eine über die UN hinausgehende Autorität, eine Art Task Force für dieWeltwirtschaft, könnte globale Krisen zumindest eindämmen, bevor sie sich wie ein Flächenbrand verbreiten. Und dass mehr gegen Hunger und Klimazerstörung getan werden muss, sollte sich von selbst verstehen. Doch der Rufer im Vatikan wird beim G8-Gipfel kein Gehör finden – obwohl L’Aquila nur 100 Kilometer von Rom entfernt ist.