Datenspeicher Elena: Der durchsichtige Mitarbeiter

Zentral abgelegte Informationen über Fehlzeiten und Kündigungsgründe: Der Widerstand gegen das System Elena wächst. Eine Münchner Zahnärztin sagt: „Ich gebe die Daten nicht weiter“
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Info-Broschüre zu "Elena" des Bundesministeriums
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Zentral abgelegte Informationen über Fehlzeiten und Kündigungsgründe: Der Widerstand gegen das System Elena wächst. Eine Münchner Zahnärztin sagt: „Ich gebe die Daten nicht weiter“

Haben Sie sich Ihre Gehaltabrechnung das letzte Mal genauer angesehen? Ganz klein steht da womöglich: „Wir sind seit 1. Januar 2010 gesetzlich verpflichtet, monatlich die in ihrer Entgeltabrechnung enthaltenen Daten im Rahmen des Verfahrens Elena an die Zentrale Speicherstelle zu übermitteln.“ Eine Umfrage ergab, dass 40 Prozent der Deutschen gar nicht wissen, was Elena ist, dabei betrifft es 40 Millionen Arbeitnehmer. Dahinter steckt der „elektronische Entgeltnachweis“, der Bürokratie verringern soll und auf immer mehr Widerstand von Datenschützern und Politikern stößt.

Und nicht nur da: Die Münchner Zahnärztin Kristiane Zickenheiner zum Beispiel weigert sich, die Infos über ihre Mitarbeiter rauszugeben. „Ich habe beschlossen, diese Formulare nicht auszufüllen“, sagt sie zur AZ. „Die persönliche Freiheit wird immer mehr eingeschränkt, immer mehr sensible Daten werden archiviert.“ Als Zahnärztin hat sie viel mit vertraulichen Daten von Patienten zu tun. „Und ich will bezüglich Datenschutz an meine Mitarbeiter keine anderen Maßstäbe ansetzen als an meine Patienten.“

Zickenheiner betreibt seit 1997 mit zwei Kollegen eine Praxis in Nymphenburg und hat zehn Mitarbeiter. „Weder ich noch meine Mitarbeiter wurden über Elena gesondert informiert“, sagt sie. Als die Steuerkanzlei, die ihre Lohnbuchhaltung macht, um mehr Auskünfte bat, ließ sie sich die Formulare kommen. „Als ich das gesehen habe, bin ich aus allen Wolken gefallen.“

Seit dem 1. Januar sollen die Arbeitgeber monatlich umfangreiche Einkommensdaten ihrer Mitarbeiter weiterleiten. Dadurch sollen Anträge auf staatliche Leistungen wie Wohn-, Eltern- und Arbeitslosengeld ab 2012 schneller bearbeitet werden können.

In den Fragebögen werden auch Fehlzeiten, Krankheitstage oder Details zu Kündigungen erfasst. Der Arbeitgeber soll da zum Beispiel Abgaben über Abmahnungen machen und in einem freien Textfeld „vertragswidriges Verhalten“ schildern. Daneben steht der Hinweis „Bei Bedarf Zusatzblatt hinzufügen“.

Zickenheiner: „Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass solche Daten von mir eingefordert werden können, ohne dass meine Mitarbeiter ihre Einwilligung dazu geben müssen. In einem Zeugnis dürfte so etwas nicht stehen.“ Was Datenschützer darüber hinaus kritisieren: Der Bürger selbst kann die Daten erst ab 2012 einsehen, erfährt also vorerst nicht, was der Ex-Arbeitgeber angibt.

Zwar muss der Arbeitnehmer offiziell dem Zugriff durch ein Amt zustimmen. Dennoch befürchten viele Missbrauch. „Was ist, wenn jemand sich neu krankenversichern will und die Versicherung sagt: Gewähre mir erst Einblick in deine Elena-Daten? Was ist, wenn ein Chef im Bewerbungsgespräch sagt: Zeige mir deine Elena-Daten, oder du kommst für den Job nicht in Frage?“, fragt sich Zahnärztin Zickenheiner.

Die Front wird immer breiter: Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hält Elena für „unverhältnismäßig“, eine Sammel-Verfassungsbeschwerde läuft, der Chef der IG Bau nennt Elena „Daten-Nacktscanner“ und auch aus der CDU kommt Kritik. Wirtschaftsminister Brüderle (FDP) will das Gesetz jetzt „prüfen“.

Tina Angerer

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