Datenprofile gespeichert: Die EC-Karten-Spione

Der größte EC-Netzbetreiber in Deutschland erstellt Prognosen, ob Kunden zahlungskräftig sind oder nicht. Betroffen sind davon nahezu alle deutschen Karteninhaber von 50 Millionen Bankverbindungen.
von  Abendzeitung
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Der größte EC-Netzbetreiber in Deutschland erstellt Prognosen, ob Kunden zahlungskräftig sind oder nicht. Betroffen sind davon nahezu alle deutschen Karteninhaber von 50 Millionen Bankverbindungen.

MÜNCHEN/RATINGEN Wie oft bezahlen Sie mit der EC-Karte? Oft? Sehr oft? Dann gibt es von Ihnen womöglich schon ein Datenprofil. Nach einem Bericht von „NDR Info“ hat der größte deutsche EC-Netzbetreiber, die Easycash GmbH in Ratingen, in den letzten Jahren systematisch nicht nur Kontonummern gespeichert, sondern auch Betrag, Zeit und Ort jeder Zahlung. Von 50 Millionen Bankverbindungen.

Was sind überhaupt EC-Netzbetreiber? Sie sind die Verbindung zwischen Laden und Bank und wickeln den Zahlungsverkehr ab. Hier gibt es zwei Möglichkeiten: Per Pin oder per Unterschrift (Lastschrift).

Was ist der Unterschied? Für den Kunden gibt es praktisch keinen, für Händler schon: Bei der Pin-Zahlung fallen für ihn Bankgebühren an, 0,3 Prozent vom Umsatz. Dafür wird die Summe sofort abgebucht, das Geld kommt sicher an. Billiger ist für ihn die Unterschrift: Hier gibt’s keine Gebühren. Allerdings ist die Lastschrift unsicherer: Der Kunde kann ihr widersprechen. Und wenn das Konto nicht gedeckt ist, hat der Händler den Schaden.

Was ist der Vorwurf gegen Easycash? Das Unternehmen hat, so „NDR Info“, über einen langen Zeitraum hinweg so genannte „Verhaltensdaten“ gesammelt: Wo kauft der Kunde ein, wie hoch sind seine Umsätze, ist sein Konto gedeckt? Was das bringen soll, hat Easycash-Manager Thomas Schwalbe in einer Kundenzeitschrift erklärt: Man könne so „in Segmenten mit eher kritischen Konsumpotenzialen die Bankverbindungen identifizieren, mit denen man uneingeschränkt und profitabel wirtschaften kann“. Sprich: Wer ein eher unzuverlässiger Kunde mit geringen Umsätzen ist, wird häufiger zur Pin-Zahlung gebeten. Die vertrauenswürdigen Kunden dürfen unterschreiben.

Was sagt Easycash? Das Unternehmen ist sich keiner Schuld bewusst: „Wir sind gesetzlich und steuerrechtlich verpflichtet, zu speichern“, sagte der für den Geschäftsbetrieb zuständige Manager Frank Wio. „Wir haben über die Nutzung immer eine datenschutzrechtliche Abstimmung durchgeführt.“ Der Landesdatenschutz NRW habe Easycash laut NDR erlaubt, Daten dauerhaft zu sammeln. Doch diese Erlaubnis bezieht sich laut Datenschützer nur auf branchenübliche Sperrdateien. Darin werden nicht gedeckte Konten gespeichert. Wio: „Hier gehen länderspezifisch die Interpretationen auseinander.“

Was sagen Verbraucherschützer? Die sind alarmiert. „Das ist nicht rechtens“, sagt Christian Pauli vom Bundesverband der Verbraucherzentralen zur AZ. „Dieses Unternehmen sammelt profilbildende und damit potenziell gefährliche Daten.“ Es wird zum Beispiel registriert, ob Sie häufig eine Apotheke aufsuchen müssen.

Und: Im Unterschied zu Punktesammel-Systemen wie Payback, für die sich die Kunden freiwillig entscheiden (s. unten), bekomme man die Datenspeicherung bei der EC-Kartenzahlung nicht mit. Zwar steht das auf der Rückseite des Kassenzettels. Aber: „Der Händler kann vom Verbraucher nicht verlangen, sich erst ganz genau das Kleingedruckte durchzulesen, wenn hinten eine lange Schlange drängelt.“ Außerdem sind, bevor man unterschreibt oder die Pin eingibt, die Daten längst weitergeleitet.

Was kann man als Kunde tun? Ob der Laden, in dem man einkauft, einer der 92000 Vertragspartner von Easycash ist, steht manchmal an den EC-Lesegeräten oder hinten auf dem Kassenzettel. Nicht alle Vertragspartner machen bei der kritischen Daten-Sammlung mit. Die Rewe-Group beispielsweise hat wegen der Vorwürfe gegen Easycash ihr Lastschriftverfahren kurzfristig ausgesetzt. Seit Ende Juli kann man bei Rewe, Penny und Toom wieder per Unterschrift zahlen – die fragwürdigen Daten werden aber nach Konzernangaben nicht mehr gespeichert.

Generell raten Experten: Im Zweifel lieber bar zahlen. Und wenn Sie zuhause noch einen alten Bon haben, sollten Sie das Kleingedruckte vor dem nächsten Einkauf genau lesen. Für die Zukunft fordern die Verbraucherschützer mehr Transparenz. Zum Beispiel gut sichtbare Aushänge, auf denen genau erklärt wird, was gespeichert wird. Damit kein Kunde mehr blind in die Datenfalle tappt. Annette Zoch

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