Das große Karussell

Ein Präsident sollte nicht aus Kungelrunden hervorgehen: Frank Müller, AZ-Politik-Chef, über die Suche nach dem Bundespräsidenten

Der kommende Bundespräsident Christian Wulff wird im Aushalten von Kritik vermutlich weniger dünnhäutig sein als sein Vorgänger. Dass muss er auch, denn das Verfahren seiner Kür stimmt bedenklich. Schon richtig: Geschacher um das höchste deutsche Staatsamt gab es bereits öfters. Neu aber ist, dass der erste Mann im Staat als letzte Chance einer vom frühzeitigen Tod bedrohten Koalition herhalten muss.

Das Verfahren war atemberaubend und trug alle Züge einer Notoperation: eine Republik in der Karussellbewegung. In der einen Woche tritt die halbe Führungsschicht zurück. In der nächsten balgt sich der verbliebene Rest um Posten. Das staunende Publikum steht am Rand im Fahrtwind und wundert sich: War es nicht einmal so, dass man an den Bundespräsidenten etwas andere Ansprüche stellte, als dass er in die tagespolitische Anforderungslage aus Gesundheitsreform und Sparkonzepten passen musste? Mit gutem Grund wählte sich das Land bisher Persönlichkeiten in das höchste Amt, die ihre erste Karriere schon hinter sich hatten. Wulff ist, trotz seines sanften Auftretens, zwar ein Schwergewicht. Seinen neuen Titel aber verdankt er purem Koalitionsgekungel, und das beschädigt das Amt nach Köhlers Panikflucht ein zweites Mal.

Der letzte Präsident, der so gefunden wurde, war Horst Köhler. Das sollte eine Warnung sein – vor allem für Wulff. Der hat nur eine Chance: Er muss als Präsident so überzeugend werden, dass er die Art seiner Kür vergessen macht.