Das große Fressen im Netz

Seit Microsoft angekündigt hat, den Internet-Anbieter Yahoo übernehmen zu wollen, ist die Cyberwelt noch aufgeregter als ohnehin schon. Wer sind die Player, was die Strategien? - eine AZ-Analyse.
VON JOHANNES LIEBERER
Es geht um kleine Klicks und große Visionen, um virtuelle Welten und echte Milliarden. Auf dem Spiel steht nichts weniger als die Zukunft des World Wide Web, und die Player haben Egos fast so groß wie ihre Bankkonten.
44,6 Milliarden Dollar, 30 Milliarden Euro, will Steve Ballmer, Chef des Windows-Riesen Microsoft, für Yahoo ausgeben. Yahoo, 1994 gegründet, ist als einstiges Wunderunternehmen aus dem Silicon Valley in die Jahre gekommen. Im Kampf um den Suchmaschinen-Markt liegt Yahoo aussichtslos hinter Google zurück. Es ist zwar 38 Milliarden an der Börse wert, aber den Aktionären ist das zu wenig, Die Aktie dümpelt. Ballmers Offerte ließ da das Herz der Aktionäre höher schlagen, übersteigt es doch den Wert der Yahoo-Aktien deutlich.
„Chief Yahoo“ kehrte zurück
Nur einer will partout nicht mitspielen. Jerry Yang, Amerikaner mit taiwanischen Wurzeln, war 1995 an der Uni in Stanford Mitgründer von Yahoo. Seine Idee und sein Durchhaltevermögen machten ihn zum mehrfachen Milliardär. Aus dem operativen Geschäft hatte sich der 39-Jährige zwischenzeitlich schon zurückgezogen. Weil aber sein Nachfolger nicht die Wende brachte, kehrte „Chief Yahoo“, wie sich Yang früher nannte, auf den Häuptlingsplatz zu seinen 14000 Mitarbeitern zurück. Er wollte seinen Laden selbst retten.
Mit Microsoft, „dieser beamtenähnlichen Organisation“, spottete Yang, werde man dafür aber nicht zusammenarbeiten. Yahoo werde die Wende selbst schaffen.
Ein halbes Jahr ist das her, die Windows-Manager werben schon lange um Yahoo, eine halbe Ewigkeit ist das in der renditehungrigen Welt der Aktionäre. Die Yahoo-Gewinne (zuletzt 0,7 Milliarden Dollar) schrumpfen, der Aktienkurs rührt sich nur nach unten.
Lukrativer Markt der Internetwerbung
Und auch für Microsoft drängt die Zeit. Ballmer, der das operative Geschäft unlängst vom legendären Bill Gates übernommen hat, will sein Unternehmen auf ein lukratives Geschäftsfeld führen, wo Microsoft noch nicht präsent ist. Auf dem rasant wachsenden Markt für Internetwerbung herrscht bisher Google. Rund 27 Milliarden Euro schwer ist der Markt für Online-Werbung, sagen Fachleute. Wer einen Begriff im Internet sucht, bekommt die passenden Produkte als Links oder als Textanzeigen mitgeliefert. Die werbenden Unternehmen zahlen an den Internet-Anbieter. 75 Prozent des Werbekuchens gehen auf das Konto von Google. Diese Position möchte Google behalten und Microsoft angreifen. Mit Yahoo, so spekuliert Ballmer, könnte Microsoft Googles faktisches Monopol knacken. „Wir brauchen die gemeinsame Forschungs- und Entwicklungskapazität“, sagt Ballmer, „um mit dem Marktführer mitzuhalten.“ Doch die Hürden sind hoch, und Google schläft nicht. Eine friedliche Hochzeit mit Yahoo wird es für Microsoft nicht geben. Der polternde Ballmer und der leise Yang passen nicht zusammen. Also wird das stinkreiche Microsoft (Börsenwert 292 Milliarden Dollar, mehr als doppelt so viel wie Siemens) Yahoo schlucken – wenn nicht von unerwarteter Seite Hilfe naht. „Weiße Ritter“, Unternehmen, die mit Aktienkäufen die Unabhängigkeit von Yahoo sichern könnten, sind nicht in Sicht. Zuletzt hat Rupert Murdoch (Newscorp) abgewinkt.
Doch Yang ist nicht allein. Ausgerechnet der Chef von Google, Eric Schmidt, bot dem Yahoo-Gründer seine Hilfe an. Im Gespräch ist offenbar Unterstützung für mögliche Mitbieter.
Die Freiheit im Netz
Google, wie Yahoo eine Gründung zweier Studenten, verbrämt seine Angst um Marktanteile mit philosophischen Gründen: „Offenheit und Innovation im Internet“ seien gefährdet, schreibt Google-Topjurist David Drummond. Microsoft könnte seine starke Stellung als Software-Hersteller und Quasi-Monopolist bei Betriebssystemen nutzen, um Suchanfragen automatisch auf seine Online-Angebot zu lenken. Das, meint Google pathetisch, geht nicht: Es gehe um die Freiheit im Netz.