Das böse Erwachen bei der Betriebsrente

München - Was 2004 von der rot-grünen Koalition unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) eingeführt worden ist, stößt noch Jahre später vielen Deutschen sauer auf: das Gesundheitsmodernisierungsgesetz, kurz GMG.
Wenige informiert: Doppelverbeitragung bei Betriebsrente
Der Begriff mag sperrig klingen, der Inhalt des Gesetzes aber hat es in sich. Es geht um die Doppelverbeitragung bei Betriebsrenten: also darum, dass Bezugsberechtigte, die aktuell mehr als etwa 155 Euro monatlich aus einer Betriebsrente oder Direktversicherung erhalten, darauf Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zahlen – sowohl den Anteil für Arbeitnehmer als auch den Teil der Arbeitgeber.
Die Regierung Schröder hatte die umstrittene Regelung unter Zustimmung der Union vor 15 Jahren eingeführt, um die hoch defizitären Krankenkassen zu sanieren.
Ein Großteil der Rentner, das zeigen Umfragen, hat von dieser Doppelverbeitragung keine Kenntnis – auch, weil sie bis zur Auszahlung der Versicherung keine Information darüber erhalten. Sogar dreifach abkassiert wird, wessen Ersparnisse bereits in der Ansparphase der Sozialversicherungspflicht unterliegen.
Kanzlerin Merkel (CDU) vermeidet Entlastung der Betriebsrentner
Vor allem aber richtet sich der Zorn auf die Tatsache, dass die rot-grüne Gesetzesänderung rückwirkend galt und somit auch für Personen, die eine Direktversicherung abgeschlossen hatten und keine Betriebsrente – ohne Bestands– und Vertrauensschutz, ohne Übergangsregelungen. Quasi von heute auf morgen wurden Lebensversicherungen zu Betriebsrenten deklariert.
Betroffen sind alleine hiervon rund sechs Millionen Arbeitnehmer mit Altverträgen, die 2004 bereits abgeschlossen waren. Insgesamt dürften es Schätzungen zufolge 18 Millionen Betriebsrentner sein, die seit 2004 rund 45 Milliarden Euro an Kranken- und Pflegebeiträge gezahlt haben. Fast 20 Prozent müssen Sparer an Sozialabgaben abführen, dazu kommt oftmals noch die Einkommensteuer.
Dass diese Doppelverbeitragung nicht mehr zeitgemäß ist – auch deshalb, weil die gesetzlichen Krankenkassen mittlerweile Milliarden-Rücklagen angehäuft haben –, darüber ist man sich im politischen Berlin einig. Fast zumindest. Denn vor allem Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bremst eine mögliche Entlastung der Betriebsrentner vehement aus. Diese sei im Koalitionsvertrag nicht vereinbart, lautet Merkels Mantra.
DVG fordert von Kanzleramt gerechte Lösung
Für Dietmar Hruschka, den stellvertretenden Chef der Direktversicherungsgeschädigten (DVG), ist die Haltung der Kanzlerin nicht nachvollziehbar. Hruschka, dessen Verein 2.000 Mitglieder zählt, hat vergangene Woche einen Brandbrief verfasst. Der Adressat: das Kanzleramt.
Das Gesetz sabotiere die Lebensplanung vieler Menschen, schreibt Hruschka an Bundeskanzlerin Angela Merkel und fordert von ihrer Regierung, "dieses Unrecht wieder gutzumachen". Der DVG sei offen für Vorschläge zur Entlastung. "Was wir nicht länger hinnehmen, ist das Aussitzen des Themas", so der DVG-Vize, der gemeinsam mit Betroffenen Druck auf die Politik ausüben will.
Politik im Streit um Gegenfinanzierung
Doch die verstrickt sich im Streit um eine mögliche Gegenfinanzierung – neben der Frage, ob es eine Entlastung geben und wie diese aussehen soll. Die SPD will die Krankenkasse die Zeche zahlen lassen; ein Entwurf von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sieht hingegen vor, auf Steuermittel zurückzugreifen, sollten die Kassenbeiträge für Betriebsrentner – nicht wenige davon fordern sogar eine Rückerstattung der ihrer Meinung nach zu viel gezahlten Beiträge – halbiert werden. Die Kosten von Spahns Idee: fast drei Milliarden Euro jährlich. Das stößt bei Finanzminister Olaf Scholz (SPD) auf wenig Gegenliebe.
Es scheint so, als würde sich das Dilemma der Betriebsrentner und Direktversicherungsgeschädigten um Dietmar Hruschka so schnell nicht ändern. Er wird weiterkämpfen für eine gerechte Lösung – auch im Namen Millionen Betroffener.
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