Das Biosprit-Debakel
Politik und Wirtschaft geben sich gegenseitig die Schuld, dass die E10-Einführung floppt – Krisengipfel im Kanzleramt.
BERLIN Und was jetzt? Die Einführung des Biosprits E10 ist zum Debakel geworden, die Umstellung der Tankstellen ist gestoppt. Doch die offenen Fragen fangen jetzt erst an: Ein Benzin-Gipfel am Dienstag soll das Dilemma angehen.
Vorerst beherrschen gegenseitige Schuldzuweisungen die Debatte, wer die Verantwortung dafür trägt, dass E10 derart floppt – die Autofahrer wollen es einfach nicht tanken. Die Politik gibt der Industrie die Schuld: „Das Problem ist, dass an den Tankstellen nicht genug dafür geworben wurde”, sagt Umweltminister Norbert Röttgen (CDU). Die Branche sagt, es wäre Sache der Politik gewesen, dafür zu werben. Im Branchenverband MWV heißt es: Wenn die uns zwingen, das Zeug zu verkaufen, sollen sie es den Kunden auch schmackhaft machen. Der Autofahrerverband ADAC sieht die Bringschuld bei der Mineralölbranche: Diese hätten eine Aufklärung versäumt.
Hintergrund: 2007 hatte die EU – auf Drängen von Bundeskanzlerin Angela Merkel, damals noch Klimakanzlerin und amtierende EU-Ratsvorsitzende – verfügt, dass bis 2020 zehn Prozent der Energie im Transportsektor aus klimafreundlichen Quellen stammen muss. Wie die einzelnen Staaten das umsetzen, ist ihre Sache: entweder über scharfe Regeln etwa für öffentliche Busse, Förderung von Hybridautos – oder eben, wie Deutschland es macht, über Vorschriften, wie viel Biosprit an Tankstellen beigemischt werden muss.
Deswegen gibt es nun E10, erst im Osten Deutschlands, jetzt im Süden. Die Einführung im Westen liegt auf Eis. Denn viele Autofahrer sind unsicher, ob ihr Motor das Ethanol verträgt – und greifen lieber zum rund neun Cent teureren Super-Plus. Auch das Verbrauchsargument nennen viele: Allerdings ist der Verbrauch bei E10 nur rund zwei Prozent höher, Super-Plus aber fünf Prozent teurer. Dennoch verweigern gut 70 Prozent aller Autofahrer, deren Gefährt E10 vertragen würde, den Biosprit.
Etliche Unionspolitiker wollen E10 nun komplett kippen. Dann allerdings müsste die Klimavorgabe anders umgesetzt werden. Umweltminister Röttgen hat jedoch noch nicht aufgegeben und will am Dienstag für E10 kämpfen: zum Beispiel indem er an Tankstellen Broschüren auslegen lassen will. „Wir müssen die Industrie besser an die Hand nehmen.”