D-Day für Karstadt: Verzweifeltes Ringen um Fusion mit Kaufhof

Dramatische Verhandlungen zwischen Arcandor und Metro: Die Konzerne wollen ihre Kaufhäuser Karstadt und Kaufhof verschmelzen. Aber konkret ist gar nichts. Arcandor droht mit Insolvenz, sollten heute keine Hilfen fließen,
von  Abendzeitung

BERLIN - Dramatische Verhandlungen zwischen Arcandor und Metro: Die Konzerne wollen ihre Kaufhäuser Karstadt und Kaufhof verschmelzen. Aber konkret ist gar nichts. Arcandor droht mit Insolvenz, sollten heute keine Hilfen fließen,

Der Tourismus- und Einzelhandelsriese Arcandor (Karstadt) wankt, der Montag wurde zum finanziellen D-Day erklärt. Hochrangige Manager trafen sich am Sonntag zum Gipfel. Unter dem Druck der Forderungen aus der Politik wird über eine Fusion von Karstadt mit der Metro-Kette Kaufhof verhandelt. Sollte die Politik keine Rettungsbeihilfe gewähren, werde am Montag Insolvenz angemeldet, drohte Arcandor.

Gute Chancen für die Beschäftigten?

Noch ist alles unklar: Am frühen Sonntagabend erklärte Metro, es gebe einen konkreten Verhandlungsfahrplan mit Arcandor – 30 Minuten später wurde die Erklärung widerrufen. Es gebe nach wie vor gravierende Meinungsunterschiede über den Kaufpreis und über die Zahl der für eine Übernahme attraktiven Standorte, hieß es nach den Gesprächen in Metro-Kreisen. Trotzdem scheint es, als sei Metro-Chef Eckhard Cordes seinem Wunsch, Karstadt zu schlucken, deutlich weitergekommen. Er will die Karstadt- Häuser mit den Kaufhof-Filialen zu verschmelzen – auch wenn 40 Warenhäuser dann verkauft oder geschlossenwerden müssten. Der Metro-Chef, dessen eigener Vater in den 60er Jahren infolge einer Pleite arbeitslos wurde, gibt den Arbeitnehmer-Freund: Die Jobchancen der rund 5000 Beschäftigten von Häusern, die geschlossen würden, seien trotz allem gut, versichert er.

Auch der Hamburger Otto-Versand hat ein Auge auf Karstadt geworfen. Die Sportfilialen wären eine gute Ergänzung zu den Sport-Scheck-Filialen. Arcandor fordert weiter Rettungsbeihilfe.

Die Zeit drängt

Immer noch ist unklar, wie Arcandor einen 650-Millionen–Kredit, der am Freitag fällig wird, ablösen will. Sollte heute die 438 Millionen Euro schwere Rettungsbeihilfe von der Politik nicht abgesegnet werden, sei der Gang zum Insolvenzrichter unvermeidbar, teilte der Konzern mit. Das Geld sei unter anderem für die Versandhandelssparte Primondo mit Quelle nötig.

56 000 Beschäftigte in Angst

Quer durch die Republik protestierten Karstadt-Filialleiter am Wochenende Seit’ an Seit’ mit einfachen Beschäftigten für ihre Standorte. 56 000 Arbeitnehmer bangen um ihre Jobs. 1000 Menschen bildeten am Sonntag in Hamburg eine Kette umeine Karstadt-Filiale, auch in München demonstrierten zahlreiche Beschäftigte. Ab Montag folgen Aktionen der Gewerkschaft: Geplant sind Filialbesetzungen, bundesweit sollen die Schaufenster zugeklebt sein – um zu zeigen, wie die Innenstädte ohne Karstadt aussehen würden. Unionspolitiker skeptisch gegenüber Hilfszahlungen. Maßgebliche Unions-Politiker wehren sich dennoch gegen Staatshilfen. „Wir können nicht zulassen, dass der Steuerzahler dafür einspringen muss, dass andere eine Misswirtschaft betrieben haben“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Der „Spiegel“ berichtet, Arcandor-Großaktionärin Madeleine Schickedanz wolle höchstens noch mal 40 Millionen Euro nachschießen. Auch Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sieht Staatshilfen mit Skepsis, genauso CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer. Anders die SPD: „Wir ringen um eine Lösung“, argumentierte Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) vorsichtig. „Einfach ist die nicht.“

Middelhoff drohen Ermittlungen

Pech für Ex-Arcandor-Vorstandschef Thomas Middelhoff: Seit Freitag dürften die schmucken Karstadt-Immobilien im Wert wesentlich gesunken sein. Laut Medienberichten hat der Konzern die Mietzahlungen für seine Häuser eingestellt. Die Immobilien gehören unter anderem einem Fonds, an dem Middelhoff beteiligt ist. Mit 350 Millionen Euro im Jahr sind die Mieten einer der Gründe für die Probleme von Arcandor.

Thomas Middelhoff wird aber tunlichst vermeiden, allzu laut über die Einbußen zu lamentieren: Seine frühere Doppelrolle als Arcandor-Chefmanager und -vermieter bringt ihn immer stärker in die Kritik. Middelhoff sanierte Arcandor 2005 zwar vordergründig durch den Verkauf der Immobilien, verschob dadurch die Probleme aber nur. Speziell die Mieten für die Häusern, die zu Middelhoffs Investment zählen, gelten als heillos überteuert.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) will die Rolle, die Middelhoff bei Arcandor spielte, juristisch durchleuchten lassen. Sie bat ihre nordrhein-westfälische Kollegin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU), Ermittlungen zu prüfen. Middelhoff trat daraufhin die Flucht nach vorne an. Er begrüße Zypries’ Initiative, sagte er – nur so könne alles klargestellt werden. Er habe seine Beteiligungen an dem Immobilienfonds schon 2002 erworben, „ohne zu diesem Zeitpunkt zu ahnen, dass ich zwei Jahre später in den Aufsichtsrat von Karstadt-Quelle gewählt werden würde“.

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