Chef-Banker warnt: Sparern droht jetzt sogar Strafzins
Frankfurt/München - Bisher sah der Deal ja so aus: Sie bringen ihr Geld auf die Bank und kriegen dafür Zinsen. Künftig wird es anders sein: Sie zahlen dafür, dass ihr Geld auf der Bank liegt. Und zwar Strafzinsen, weil sie zu faul sind, ihr Geld auszugeben oder zu investieren.
Das fürchtet einer, der sich auskennt in der Finanzwelt: Asoka Wöhrmann. Der 49-Jährige ist oberster Anlagestratege der Deutschen Asset & Wealth Management, der Vermögensverwaltung der Deutschen Bank. Die Summe, für die er dort verantwortlich ist, lässt an den Geldspeicher Dagobert Ducks denken: eine Billion Euro. Eine Eins, zwölf Nullen.
Angst vor hohen Summen hat dieser Mann also nicht, aber er fürchtet etwas anderes: Sparer. In einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ hat der Chef-Anleger eine klare Botschaft für alle, die ihr Geld gern in Ruhe liegen und altern sehen: „Hört endlich auf zu sparen! Gebt mehr Geld aus! Sonst drohen Euch bald Strafzinsen.“
Damit meint Wöhrmann nicht den Verlust durch die Inflation. Diese führt ja ohnehin schon dazu, dass das Vermögen auf Sparbüchern, Tagesgeldkonten oder in Versicherungen schrumpft statt wächst. Aber der Banker sieht tatsächlich noch etwas anderes kommen: negative Zinsen für private Sparer. „Banken werden irgendwann genau das an Kunden weitergeben, was die Europäische Zentralbank ihnen bereits abverlangt. Jedes Institut, das bei der Notenbank Geld lagert, muss dafür eine Art Strafzins von 0,2 Prozent zahlen“, sagt Wöhrmann. Bisher würden das die Banken höchstens an Geschäftskunden weitergeben. „Doch das trifft bald auch Privatkunden.“
Bald? Es ist sogar jetzt schon Realität: So berechnet etwa die Deutsche Skatbank ihren vermögenden Privatkunden seit diesem Monat einen Negativzins für Tagesgeldkonten. „Das dürfte angesichts der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank bald keine Seltenheit mehr sein“, glaubt Asoka Wöhrmann. Die Zinsen würden schließlich nicht steigen, zumindest nicht in den kommenden zwei Jahren.
„Jeder Einzelne verliert Geld – und auch alle Deutschen zusammen“
„Wir Deutschen sparen viel zu viel“, sagt der Banker. Und das führe nicht dazu, dass wir irgendwann mehr Geld haben, im Gegenteil: Wenn die Deutschen weiter so viel sparen, habe in Zukunft nicht nur jeder Einzelne weniger Geld, sondern auch das ganze Land: „Dann landen wir dort, wo Japan war: In einer Welt mit sinkenden Löhnen und dauerhaft negativen Zinsen.“ Deutschland müsse von seinem hohen Exportüberschuss herunterkommen. Konsum sei wichtig, für Deutschland und für Europa. Schließlich hätten wir eine Verantwortung, die Wirtschaft im Euro-Raum anzukurbeln, weil wir es uns leisten könnten. Also, raus mit dem Zaster, oder?
Asoka Wöhrmann sagt: „Die Alternative zum Konsum ist: Sie gehen höhere Risiken ein und legen einen weitaus größeren Teil als heute in Wertpapieren an – allen voran in Aktien.“ Das heiße ja nicht gleich, dass man zocken müsse, sagt der Banker. Kurzfristig könne es Verluste geben, „aber über einen längeren Zeitraum sind die Zahlen bei einem breit aufgestellten Depot in den vergangenen Jahren immer größer geworden“.
Die Leute hierzulande seien stolz auf ihre Unternehmen, würden aber kaum deren Aktien kaufen. Das sei schwer zu verstehen. Hier wirbt er freilich auch für seinen Arbeitgeber, der als eines der umsatzstärksten deutschen Unternehmen im Deutschen Aktienindex (DAX) verzeichnet ist.
Andere Experten sagen, die Deutschen sparen zu wenig. Georg Fahrenschon ist so einer. Der frühere CSU-Finanziminister und jetzige Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) warnt, dass vor allem die junge Generation zu wenig spare und damit nicht fürs Alter vorsorge: Die Jugend habe „die Lust am Sparen verloren“, man müsse schon „fast von einer Erosion der Sparkultur sprechen“, sagte Georg Fahrenschon vor nicht mal zwei Wochen, als sein Verband sein aktuelles „Vermögensbarometer“ vorstellte.
Dessen Ergebnis legt nahe: Die jungen Deutschen haben Geld und geben es aus, um es sich gut gehen zu lassen. Rund 58 Prozent schätzen in der Umfrage ihre Lebensumstände als gut oder sehr gut ein. Das ist der höchste Wert der vergangenen zehn Jahre. Da kann man sich schon mal was leisten. Doch Fahrenschon hält wenig von einer Dolce-Vita-Mentalität und nennt eine andere Zahl: Rund 16 Prozent geben in der Umfrage an, sich eine Altersvorsorge nicht leisten zu können.
Oder wollen: Die Hälfte der Befragten unter 30 Jahren gibt an, keine Rücklagen fürs Alter zu bilden. Das sei eine „besorgniserregende Entwicklung“, meint der Chef des DSGV. Schließlich sei vor allem für die junge Generation Vorsorge besonders wichtig, da doch praktisch jeder wisse, dass die gesetzliche Rente im Alter nicht ausreichen werde. Altersarmut müsse man schon in jungen Jahren vorbeugen: „Je früher ich mit Sparen anfange, auch auf niedrigem Niveau, desto größer ist der Zins- und Zinseszins-Effekt“, sagt Georg Fahrenschon.