Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer denkt an Abwrackprämie für alte Diesel

Der Verkehrsminister fordert neue Angebote der Autobauer, damit etwa ein Besitzer eines Euro-4-Autos auf einen neuen Wagen umsteigt.
Teresa Dapp, Otto Zellmer |
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Auf das neue Konzept gegen Fahrverbote müssen Dieselbesitzer noch ein paar Tage warten. Am Ende könnte eine höhere Umstiegsprämie stehen für diejenigen, die sich ein neues Auto leisten können und wollen.
Illustration imago Auf das neue Konzept gegen Fahrverbote müssen Dieselbesitzer noch ein paar Tage warten. Am Ende könnte eine höhere Umstiegsprämie stehen für diejenigen, die sich ein neues Auto leisten können und wollen.

München - Ganze Industriezweige gerieten aufgrund der Weltwirtschaftskrise 2008 und 2009 finanziell in die Bredouille – darunter auch die Autobranche. Um die Hersteller aus der Misere zu retten, führte der Bund die Abwrackprämie ein.

Für das Verschrotten ihres alten Autos bekamen Neuwagenkäufer 2.500 Euro. Die Bundesregierung stellte fünf Milliarden Euro zur Verfügung, fast zwei Millionen Menschen profitierten davon.

Jetzt ist die Abwrackprämie in der Diesel-Debatte wieder im Gespräch – dieses Mal soll nicht der Bund die Anreize setzen, sondern die Autobauer selbst. So will es Andreas Scheuer (CSU). Besitzer älterer Diesel sollen nach dem Willen des Verkehrsministers mit den neuen Angeboten dazu bewegt werden, auf sauberere Autos umzusteigen. "Die Autohersteller sind hier zwingend in der Pflicht", sagte Scheuer der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Die bisherigen Kaufprämien seien "offenbar nicht attraktiv genug", die Hersteller müssten nachbessern. Er spreche gerade mit den Autobauern, zu welchem Preis diese alte Diesel-Fahrzeuge in Zahlung nehmen könnten. Noch vor einigen Wochen hatte der Minister darauf gepocht, die Hersteller nicht übermäßig belasten zu wollen – jetzt plant Scheuer, die Industrie stärker in die Pflicht zu nehmen.

Folgt nun auch eine Wende bei den Nachrüstungen?

Fakt ist: Scheuer hatte bereits am Freitag einen kleinen Umbruch beim Selbstzünder eingeläutet. Nach einem Gespräch mit Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte der Minister ein Konzept an, das technische Verbesserungen alter Diesel beinhaltet.

Die Hoffnung: Es könnte nicht nur Software-Updates, sondern auch Hardware-Umbauten an Dieselmotoren umfassen. In der "FAZ" ruderte Scheuer dann doch etwas zurück: "Wir sollten in erster Linie nur da nachrüsten, wo es technisch und wirtschaftlich möglich ist. Am meisten Sinn macht das bei Bussen und kommunalen Fahrzeugen."

Andreas Scheuer: "Der Staat ist kein Autohändler"

Bei den 3,1 Millionen Diesel-Fahrzeugen der Euro-4-Norm ist es laut Scheuer gar nicht möglich, eine moderne Abgasreinigungsanlage einzubauen. "Wir überlegen, was da geht. Aber eines ist ganz klar: Der Staat ist kein Autohändler", sagte der Minister. Von den 5,5 Millionen Euro-5-Dieseln könnten "bestenfalls zwei Millionen Fahrzeuge technisch nachgerüstet werden – nur bei diesen ist der notwendige Bauraum vorhanden".


Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Foto: Carsten Rehder/dpa

Das sieht das Bundesumweltministerium anders. Aus Sicht des Ressorts gebe es solche belastbaren Zahlen nicht, sagte ein Sprecher. Einig sei man sich, dass die 3,1 Millionen älteren Euro-4-Diesel nicht technisch nachrüstbar seien. Hier könne eine Umstiegsprämie eine Lösung sein.

Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) will weiter Hardware-Nachrüstungen auf Kosten der Hersteller – das wiederholte sie am Dienstag in der "Süddeutschen Zeitung". Ein solcher Schritt kostet laut Verkehrsminister Scheuer Minimum 3.000 Euro je Pkw. Dafür soll laut SPD kein Steuergeld ausgegeben werden.

Doch sind Abwrackprämien überhaupt sinnvoll? Daran zweifelt das Umweltministerium. Eine Prämie erfülle nur dann ihren Zweck, wenn die Autofahrer nicht nur neuere, sondern auch im Alltag tatsächlich sauberere Autos kauften, sagte ein Sprecher. Verbraucherschützer mahnen, Umtauschprämien müssten mehr sein als ein Programm zur Absatz-Ankurbelung der Autoindustrie.

"Alle Dieselbesitzer, die wegen Fahrverboten ihr Auto nicht mehr nutzen können, sollten ein Angebot von den Autoherstellern erwarten können", sagte Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). "Angemessen wäre der Rückkauf ihres Autos zum Zeitwert zuzüglich 1.000 Euro."

Umweltschützer werfen dem Verkehrsminister "Hilflosigkeit" vor. "Mit der Umstiegsprämie wird Scheuer keine Fahrverbote verhindern", sagt BUND-Experte Jens Hilgenberg. "Das Konzept der Umstiegsprämien klingt, als sei es dem Minister von der Autoindustrie ins Hausaufgabenheft diktiert worden."

In der Diesel-Debatte hatte Münchens OB Dieter Reiter (SPD) bereits vor einem Jahr in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und deren damaligen Kanzleramtschef Peter Altmaier eine Abwrackprämie gefordert – allerdings sollte diese ein Instrument des Bundes sein.

Hintergrund der Streitigkeiten ist, dass Dieselfahrern in immer mehr Städten Fahrverbote drohen, weil die Luftverschmutzung das in der EU erlaubte Maß überschreitet. Die laufenden Software-Updates sollen den Ausstoß gesundheitsschädlicher Stickoxide um 25 bis 30 Prozent reduzieren, Kritiker nennen das aber unrealistisch.

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AZ-Umfrage: Was halten Sie vom Vorschlag des Verkehrsministers?

Anna Sapia (49), Angestellte: "Damit verdienen die Konzerne dann wieder Geld. Außerdem gibt es noch gar keine wirklich umweltfreundliche Lösung. Ältere Diesel durch neu produzierte Autos mit Verbrennungsmotor zu ersetzen? Das bringt doch nichts."

Alejandro Gualtieri (39), Informatiker: "Der Kauf eines neuen Autos bedeutet für den Verbraucher Kosten. Das ist doch nicht in Ordnung. Die Unternehmen alleine müssen bezahlen, da sie vorsätzlich betrogen und somit die Schuld haben."

Anna Dirnberger (20), selbstständig: "Eine Prämie wäre eine Belohnung für die Konzerne. Strafzahlungen, von denen man dann beispielsweise den öffentlichen Personennahverkehr ausbauen könnte, würden der Luft in der Stadt besser tun."

Klaus Ziegler (60), Optiker: "Eine Abwrackprämie finde ich nicht richtig. Die Konzerne müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Ich werde meinen Diesel fahren, bis er auseinanderfällt. Das halte ich auch für am ökologischsten."

Umfrage: L. Hegemann

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