Bundesregierung wird Banker

Das Kabinett beschließt das umstrittene Gesetz zur Enteignung bei der Hypo Real Estate. Kritiker halten diesen Weg für gefährlich. Die AZ beantwortet die wichtigsten Fragen zur Enteignung.
von  Abendzeitung
Filiale der Hypo Real Estate: Die Immobilienbank könnte bald verstaatlicht werden.
Filiale der Hypo Real Estate: Die Immobilienbank könnte bald verstaatlicht werden. © dpa

BERLIN/MÜNCHEN - Das Kabinett beschließt das umstrittene Gesetz zur Enteignung bei der Hypo Real Estate. Kritiker halten diesen Weg für gefährlich. Die AZ beantwortet die wichtigsten Fragen zur Enteignung.

Peer Steinbrück nahm die Kritik mit Humor: „Einige spekulieren schon, ob die Commerzbank-Arena in Steinbrück-Arena umbenannt wird“, flachste der Bundesfinanzminister, als er gestern die umstrittenen Pläne zur Verstaatlichung maroder Banken vorstellte.

Zuvor hatte das Kabinett den Gesetzentwurf verabschiedet: Erstmals in der Nachkriegsgeschichte können Banken in Deutschland verstaatlicht werden – und deren Aktionäre enteignet. Nicht nur für Aktionärsschützer und Wirtschafts-Vertreter ist das ein Schreckensszenario. „Die Bundesregierung versündigt sich“, schimpfte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel. Die AZ beantwortet wichtige Fragen zum Enteignungs-Gesetz.

Warum brauchen wir das Gesetz überhaupt? Die Regierung will damit den maroden Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) retten. Er steht vor dem Kollaps, hat aber 87 Milliarden Euro vom Staat bekommen. Geht die HRE pleite, ist das Geld weg. Die Regierung will daher eine 75-Prozent-Mehrheit, um „Steuergelder zu schützen“, sagt Steinbrück. Außerdem könne ein HRE-Kollaps „eine Erschütterungsdynamik über Deutschland hinaus auslösen“.

Was führen die Kritiker an? Sie fürchten: Kann man den Eigentümern einer Bank mit Zwang ihre Aktien wegnehmen, hält das Investoren künftig davon ab, Geld in deutsche Firmen zu stecken. Ein „marktwirtschaftlicher Offenbarungseid“, sagt der Münchner Professor Klaus Fleischer. Auch sei „längst nicht ausgemacht, dass der Staat die HRE vor der Pleite bewahren kann“.

Wie läuft eine Enteignung ab? Sie soll die letzte aller Möglichkeiten sein, eine Bank zu retten. Erst muss die Regierung mit den Aktionären über den Kauf der Aktien verhandeln. „Das sollte sie auch ernsthaft tun“, fordert die Münchner Aktionärsschützerin Daniela Bergdolt. Beim HRE-Großaktionär J.C. Flowers war das bisher erfolglos. Kommt es zur Enteignung, macht der Staat den Aktionären ein Zwangsangebot für ihre Aktien. Sie bekommen den aktuellen Marktwert – und ein Recht, bevorzugt Anteile zurückzukaufen, wenn es der Bank wieder besser geht. Gestern stieg die HRE-Aktie um 40 Prozent auf 1,55 Euro. J.C. Flowers zahlte für seine Anteile mehr als 22 Euro.

Gilt das Gesetz auch für andere Banken als die HRE? Grundsätzlich ja. Es ist aber bis Ende Juni befristet - und damit auf die HRE zugeschnitten. Kritiker befürchten jedoch: Die Hemmschwelle für Enteignungen sinkt nun. Klaus Fleischer: „Hat man es einmal gemacht, ist die Hürde beim nächsten Mal nicht mehr so hoch.“

aja

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