Bonbon-Populist
Warum der Rentenplan von Jürgen Rüttgers ungerecht und falsch ist - ein Kommentar von AZ-Redakteurin Anja Timmermann.
Dieser Vorschlag ist ein Parade-Beispiel aus der Abteilung „Wir fordern Sonnenschein und Bonbons für alle“: sieht ganz toll aus, aber wehe, man kratzt am Zuckerguss. Die Rede ist von Jürgen Rüttgers’ Vorstoß, Geringverdienern, die lange eingezahlt haben, die Rente über die Grundsicherung hinaus um 15 Prozent aufzustocken.
Das ist erstens ungerecht: Nehmen wir einen Arbeitnehmer, der 25 Jahre normal bis viel eingezahlt hat und dann vielleicht arbeitslos wurde, und einen weiteren, der 35 Jahre nur ganz wenig eingezahlt hat. Der mit den 35 Jahren bekommt laut Rüttgers dann 15 Prozent mehr als der mit den 25, obwohl beide insgesamt gleich viel eingezahlt haben.
Das hilft zweitens den meisten Betroffenen gar nichts. Denn von Altersarmut sind vor allem vier Gruppen betroffen: kleine (Schein-)Selbstständige, Langzeitsarbeitslose, Hausfrauen und Niedrigstverdiener. Den ersten drei Gruppen bringt der Rüttgers-Plan rein gar nichts, weil sie eben nicht lange eingezahlt haben. Und der vierten Gruppe könnte man mit all den Milliarden, die die Idee kostet, besser schon vor dem 65. Geburtstag helfen, damit sie eben mehr verdienen – über Qualifizierung, Mindestlohn oder anderes.
Aber einem Herrn Rüttgers, der zu jedem seiner Vorschläge die Popularitätsraten auswendig aufsagen kann, ist sowas egal. Dem geht’s nur ums eigene Image. Und das des Bonbons-für-alle-Populisten war halt grad frei in der verunsicherten Union – und bedient sich auch noch am einfachsten.
Anja Timmermann
Die Autorin ist AZ-Redakteurin