Börsen-Chaos: Wie sich Anleger nun verhalten sollten
München - Es war wie ein Aufschrecken aus der Ruhe des Sommerlochs, als Anfang vergangener Woche die Börsen zitterten - wenn auch nicht bebten. Vor allem in Japan gab es heftige Verluste. Die Beruhigung folgte auf dem Fuße, doch die Rahmenbedingungen sind weiter ungünstig. Im Nahen Osten droht weiteres Ungemach, in den USA stehen die Präsidentschaftswahlen mit sehr ungewissem Ausgang vor der Tür, der Ukrainekrieg geht unvermindert weiter und der Boden für die nächsten Krisenherde wie Venezuela ist schon bereitet.
Zu welchem Anlageverhalten raten Experten angesichts der aktuellen Gemengelage? Gerade Anfänger sollten ein wenig abwarten, rät Ulrich Müller, studierter Finanzwirt und Gründer der "Ulrich Müller Wealth Academy" in Halstenbek bei Hamburg. "Als Anfänger sollte man nie unter Druck in den Markt einsteigen, nur weil die Situation gerade günstig erscheint", sagt er der AZ.

Einsteigertipp vom Experten: "Beobachten Sie den Markt aufmerksam"
"Mein Rat für Einsteiger: Beobachten Sie den Markt aufmerksam, aber warten Sie mit dem Einstieg, bis wir das Sommerloch hinter uns haben und sich die Märkte beruhigt haben. Ein besonnener Start ist der beste Weg für langfristigen Erfolg an der Börse." Zu einer etwas forscheren Herangehensweise rät Marco Herrmann, Geschäftsführer und Chief Investment Officer der Münchner Vermögensverwaltung Fiduka.
Grundsätzlich könne man auch jetzt als Neuling mit der Geldanlage beginnen, "denn statistisch betrachtet, ist bei einer langfristigen Geldanlage der Einstiegszeitpunkt tatsächlich nicht so entscheidend. Wichtiger ist, dass man überhaupt anfängt zu investieren - wenn es leichter fällt, gerne in mehreren Schritten". Dabei sollten jedoch drei Punkte beachtet werden, hebt der Experte im Gespräch mit der AZ hervor: "Nicht alles auf eine Karte setzen. Lieber breit gestreut in eine Vielzahl von Aktien investieren." Herrmann empfiehlt hierbei ETFs oder gute Aktienfonds.

An der Börse investieren: Geduld ist gefragt
Der zweite Tipp von Herrmann für Anfänger: "Sitzfleisch mitbringen, denn an der Börse verdient man sein Geld mit dem Hintern." Geduld sei gefragt, die über die gegenwärtige Lage weit hinausreicht: "Mindestens fünf, besser zehn oder mehr Jahre sollte man das Geld schon ,arbeiten lassen'." Was Herrmann zufolge auch allen klar sein sollte, die sich erstmals mit dem Thema Börse und Geldanlage befassen: "Verstehen, dass die Börse kein Casino ist. Man beteiligt sich an Unternehmen, die über die Jahre hinweg ihre Gewinne und damit ihren Wert steigern werden - wie in den letzten Jahrzehnten auch - trotz aller Krisen."
Und wie kann eventuell die politische Lage der Welt bei der Auswahl der Anlagemöglichkeiten berücksichtigt werden - lohnt ein Investment im Rüstungsbereich? "Wenn man es ethisch mit sich vereinbaren kann, lässt sich mit Rüstungsaktien sicherlich Geld verdienen", sagt Ulrich Müller. Mehr Sicherheit winkt in einem anderen Bereich: "Allerdings haben sich beim jüngsten Crash im August vor allem Consumer Goods als relativ stabil erwiesen." Sein Tipp: "Für ein krisensicheres Depot rate ich, auf die sogenannten 'Langweiler' umzuschichten. In turbulenten Zeiten ist eine konservativere Auswahl oft der klügere Weg."
Wird es nun in einem stetigen Auf und Ab weitergehen?
Beide Experten sehen keinen Grund zur Beunruhigung in den Börsenschwankungen. Es sei "völlig normal, dass Aktien nach einer längeren Aufwärtsbewegung auch mal korrigieren, sprich einen Teil ihrer vorherigen Gewinne wieder abgeben", sagt Herrmann. "Diese Abwärtsbewegungen sind zeitlich zwar oft nur von kurzer Dauer, können dafür aber manchmal heftiger ausfallen", erläutert der Experte und greift zu einem für Bayern passenden Vergleich: "Ähnlich wie bei einer Bergwanderung, bei der der Aufstieg mehr Zeit benötigt als der Abstieg."
Dazu kommt die Jahreszeit: "Besonders im Sommer, wenn viele professionelle Anleger im Urlaub sind und die Umsätze an den Märkten niedrig sind, steigt das Risiko von Korrekturen - weil man mit vergleichsweise wenig Geld die Märkte bewegen kann." Dem Münchner Berater zufolge waren drei Gründe ausschlaggebend für die Kursschwankungen der vergangenen Woche: die aktuellen Daten vom US-Arbeitsmark, die auf eine schwächer werdende Wirtschaft hindeuteten, sowie der Chip-Konzern Intel, der "mit seinen desaströsen Quartalszahlen die Euphorie im Technologie-Sektor gedämpft" habe.
Zudem habe die japanische Notenbank "mit ihrer überraschenden Zinserhöhung Anleger verschreckt, die es gewohnt waren, im Yen Kredite zu Nullzinsen aufzunehmen und diese gewinnbringend in den USA zu investieren". Wird es nun in einem stetigen Auf und Ab weitergehen, vielleicht noch heftiger als zuletzt? Zurückhaltend äußert sich Ulrich Müller: "Sicherlich können wir noch mehr Volatilität erwarten, obwohl das vierte Quartal statistisch gesehen das Beste ist."
Anleger sollten dem Markt Zeit geben, sich zu beruhigen.
Marco Herrmann verweist auf die USA: "Da die US-Präsidentschaftswahl im November einige Überraschungen vor und nach der Wahl bringen kann, besitzt das zweite Halbjahr durchaus das Potenzial für weitere Schwankungen." Dennoch solle man der Politik nicht zu viel Gewicht geben: Auf längere Sicht seien das wirtschaftliche Umfeld und die Geldpolitik entscheidend. "Und da wir mit keiner Rezession rechnen, noch mit einem Boom und bald weitere Notenbanken die Leitzinsen senken dürften, sollte man nicht alles schwarzmalen."
Ein wenig vorzusorgen kann laut Müller trotzdem nicht schaden: "Meine Empfehlung lautet, eine Cashquote aufzubauen und keinesfalls zu hebeln. Das bietet Sicherheit und Flexibilität in diesen unsicheren Zeiten." Anleger sollten dem Markt Zeit geben, sich zu beruhigen. "Wir sollten geduldig sein. Im September könnten sich wieder interessante Einstiegssignale ergeben, die es dann zu nutzen gilt."
Und wenn die Börsenwanderung gerade wieder im Abstieg ist? Dann, so Herrmann, solle man die erneuten Kursrückgänge "eher für Käufe als für Verkäufe nutzen".
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