BMW Werk München: Die Insel der Seligen

Stellenstreichungen, bedrohte Werke: Die Autobranche zittert – bis auf BMW.
von  AZ Aktuellredaktion

Der Autobauer fährt Zusatzschichten - schade nur, dass die Elektromobilität woanders spielt

München - Heulen und Zähneklappern in der Autobranche. 2013 wird ein mieses Jahr. Daimler legt ein milliardenschweres Sparprogramm auf, Ford streicht über 6000 Jobs in Europa, bei Opel ist die Existenzangst ohnehin Realität geworden. Schlechte Zeiten für Autobauer? Thomas Lehmann lächelt ein sehr entspanntes Werksleiterlächeln. „Ich kann mich über meine Auftragslage nicht beschweren.“

Rund 10000 Beschäftigte, 1000 davon Auszubildende, arbeiten im Münchner BMW-Werk. Die einzige Sorge, die sie sich machen müssen, ist die, dass die eine oder andere Sonderschicht im nächsten Jahr nicht perfekt mit ihrer persönlichen Freizeitplanung korreliert. Schon im ersten Halbjahr des nächsten Jahres wird BMW zwölf Mal Zusatzschichten fahren – der großen Nachfrage wegen.

Besucher, die sich zurzeit zur Werksführung anmelden, bekommen nicht alles gezeigt: Zurzeit wird schon der neue 4er gefertigt, der ab dem Frühjahr verkauft wird. Unternehmensfremde dürfen keinen Blick auf das neue Auto werfen, müssen sich deswegen mit einem Teil der Produktion und einem Video zufriedengeben. Dafür, dass keine Bilder oder gar Videos nach außen dringen, sorgt das strikte Handy-Verbot in der Montage. Beschäftigte, die während der Arbeit ihr Smartphone zücken, bekämen Probleme mit ihrem Chef – abgesehen davon, „dass unsere Werker in der Produktion sowieso keine Zeit zum Telefonieren haben“, sagt Thomas Lehmann. „Bisher hatten wir keine Probleme mit internen Quellen, die etwas preisgeben könnten“, versichert er denn auch.

Der 52-Jährige ist erst seit 2008 bei BMW, hat vorher unter anderem bei AEG und Airbus gearbeitet. Lehmann ist ein Arbeitstier, an vielen Tagen 14 Stunden im Werk, und ein bekennender Tüftler: „Mich faszinieren technische Prozesse, die ein einzelner Mensch gerade noch überblicken kann. Es soll kniffelig sein, und ich will das Produkt selbst erleben können. Da ist die Autobranche einzigartig.“ Umso bedauerlicher für Lehmann, dass die neuen Elektroautos, die BMW im nächsten Jahr auf den Markt bringt, in Leipzig gefertigt werden.

Lehmann ist ein Fan der E-Flitzer, schwärmt vom Fahrgefühl mit dem Batterieantrieb. „Wir haben hier im Werk den Anfang mit der E-Mobilität gemacht“, rühmt er sich – mit einem E-Mini nämlich, der in München gebaut wurde. Wäre der Platz in München nicht so beschränkt, hätte sich das Werk aus seiner Sicht bestens für die neue Technik geeignet – jetzt kann Lehmann nur noch im Scherz vorschlagen: „Ich könnte mit dem Werkleiter in Leipzig ja mal den Job tauschen.“

Getüftelt wird in München nicht nur wegen des knappen Raums – auch bei den Schichtplänen und Arbeitszeitkonten hat sich in den letzten Monaten viel geändert. Die Gewerkschaft hat nach zähem Kampf über Jahre hinweg erreicht, dass BMW konzernweit den Anteil der Leiharbeiter deutlich heruntergefahren hat. Waren es früher in manchen Abteilungen über ein Drittel, sollen jetzt nur noch maximal acht Prozent der Mitarbeiter von Leihfirmen kommen. Gleichzeitig muss der Hersteller auch mal Auftragsspitzen oder -rückgänge abfedern können – was im Endeffekt darauf hinausläuft, dass die Arbeitszeitkonten auch einmal über einen längeren Zeitpunkt ins Plus oder ins Minus gefahren werden. Selbst wenn der Absatz über vier Jahre um 30 Prozent einbrechen würde, müssten dank der flexiblen Arbeitszeiten keine Mitarbeiter entlassen werden, heißt es im Betriebsrat.

 

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