Bitterer Ernst
Die Erosion des Systems Seehofer hat sich beschleunigt - AZ-Landtagskorrespondentin Angela Böhm über die CSU-Krise
Einer hat sich getraut. Ein mutiger Unterfranke hat Horst Seehofer gezeigt, dass er sich von seinem Chef nicht weiter demütigen lässt: Weder menschlich noch politisch. Bernd Weiß hat dem bayerischen Ministerpräsidenten das Misstrauen ausgesprochen. Die Insignien der Macht, nach denen alle streben, von der Staatskarosse samt Chauffeur bis zum Titel, waren ihm weniger Wert als seine persönliche Standfestigkeit.
Nun könnte man lästern, Seehofer habe einfach kein Glück mit den Unterfranken. Weder politisch noch privat. Auch Anette Fröhlich, die Mutter von Seehofers außerehelicher Tochter, kommt aus der Region. Doch der Fall Weiß wirft ein bezeichnendes Licht auf das System Seehofer. Und das besteht aus völliger Willkür.
Auch wenn Seehofer gerne von Menschlichkeit redet. Er geht mit Menschen verachtend um. Eine direkte Auseinandersetzung meidet er. Am liebsten redet und lästert er hinter dem Rücken. Damit versucht er im Kabinett und in der Partei Angst und Schrecken zu erzeugen, um dann immer zu sagen: „Das war nur ein Scherz.“
Doch der Scherzbold Seehofer hat es sich inzwischen in der CSU verscherzt. Das ist bitterer Ernst.
„Die Wahrheit liegt nur in der Wahlurne“, hatte er wie ein Mantra bis zum 27. September vor sich hergetragen. Nun will er nach seinem Wahldebakel von dieser Wahrheit nichts mehr wissen. Doch egal, wie er es sich auch hin biegt. Mit dem Rücktritt von Bernd Weiß hat sich die Erosion des Systems Seehofers beschleunigt.