Bitte kein Märtyrer

Die AZ-Redakteurin Anja Timmermann über die Festnahme von Julian Assange
von  Abendzeitung
Anja Timmermann, AZ-Redakteurin
Anja Timmermann, AZ-Redakteurin © Ronald Zimmermann

Die AZ-Redakteurin Anja Timmermann über die Festnahme von Julian Assange

Jetzt hat man ihn also, den großen Mister Wikileaks. Und man kann sich vorstellen, wie sehr die Drähte zwischen den USA und Großbritannien glühen – in Amerika gab es sogar schon Forderungen, den „Staatsfeind“ hinzurichten oder mit Drohnen jagen zu lassen. Und Assanges Fangemeinde heult auf und wittert wilde Verschwörungen der vermeintlichen schwedischen und/oder britischen Büttel der USA.

Zunächst: Der schwedische Haftbefehl liegt zum einen sicher an der hohen Sensibilität für Frauenthemen in Schweden – wo auch Freier belangt werden. Zum anderen auch an Assanges großem Ego, der nach Aussagen früherer Mitstreiter ein „Nein“ nicht versteht. Natürlich muss juristisch geklärt werden, ab wann der Sex vielleicht eben nicht mehr einvernehmlich war. Das aber hat mit Wikileaks nichts zu tun. Und es wäre fatal, wenn die USA diese Festsetzung nun nutzen würden, um Assange sozusagen zu kreuzigen.

Erstens bringt es ganz pragmatisch nichts – nicht in Zeiten des Internets. Zweitens würde es ihn nur zum Märtyrer machen. Es ist befremdlich genug, wie derzeit versucht wird, mit schmutzigen Mitteln Wikileaks abzuwürgen: dass Amazon es vom Server wirft, oder MasterCard alle Zahlungsweiterleitungen sperrt. Es ist albern, dass die US-Regierung behauptet, mit diesen Aktionen „privater Firmen“ nichts zu tun zu haben; und unwürdig einer großen Demokratie. Mehr – etwa eine jahrzehntelange Haftstrafe, wie sie seinem Informanten angedroht wird – erst recht.

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