Bis zu 739,20 Euro Zusatzkosten
BERLIN - Das wird teuer: Die AZ hat ausgerechnet, was die Pläne für die Gesundheitsreform für den Geldbeutel der Bürger bedeuten. Das neue Modell ist noch ungerechter als das bisher diskutierte.
Eins steht schon fest: Die Bürger müssen mehr an ihre Krankenkasse zahlen. Gerungen wird derzeit noch um das genaue System und darum, wie die Erhöhung getauft wird. Die AZ erklärt, was im Gespräch ist und was auf die Bürger in Euro und Cent zukommen kann. Die Spanne der Mehrbelastung reicht von minimal 180 Euro bis hin zu maximal 739,20 Euro pro Jahr (siehe Kästen). Ausgenommen sind nur Geringverdiener.
Wie ist der Stand? Diese Woche ist viel Bewegung: Am Montag war das Treffen von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) und CSU-Chef Horst Seehofer, gestern nutzten die Koalitionsspitzen ihren Köhler-Krisengipfel auch zu Beratungen über die Gesundheitsreform, heute trifft sich die Reform-Kommission der Regierung. Womöglich fallen bei der Regierungsklausur am Wochenende Entscheidungen.
Was ist geplant? Von seinem ursprünglichen Plan hat sich Rösler bereits verabschiedet: Zuletzt wollte er eine Mini-Pauschale von 29 Euro einführen und dafür den Kassenbeitrag von 14,9 auf 14,0 Prozent senken. Wer dabei draufgezahlt hätte, hätte die Differenz aus Steuermitteln zurückbekommen. Dieser Plan ist nun in zwei Punkten geändert: Erstens soll der Beitrag bei 14,9 Prozent bleiben (was den Bürgern so verkauft wird, dass er wenigstens nicht steigt). Das heißt, die Pauschale kommt zusätzlich – um die Milliardendefizite im Fonds zu stopfen. Im Gespräch ist derzeit eine Summe von 15 bis 30 Euro pro Monat. Zweitens: Der Ausgleich für Geringverdiener soll nicht mehr aus Steuermitteln bezahlt werden, sondern innerhalb der Kasse von den dortigen Besserverdienenden.
Wie funktioniert der Ausgleich? Nach Medienberichten soll die Beitragsbemessungsgrenze angehoben werden, und zwar um 400 Euro auf 4150 Euro. Das Gesundheitsministerium spricht von „Spekulationen“. Das trifft alle freiwillig gesetzlich Versicherten – denn wer über der Beitragsbemessungsgrenze liegt, könnte auch zu den privaten Kassen wechseln. Genau davor warnen nun auch Experten: Wenn der teure Sozialausgleich schon nicht über Steuern finanziert werden kann, wie dann von einer viel kleineren Gruppe – die noch dazu eben wegen des Sonderopfers dazu neigen könnte, dann nun doch zu den Privaten zu flüchten. Damit wäre die Finanzierung wieder hin.
Wie sind die Reaktionen? Sehr verhalten. Der Plan, den Sozialausgleich über Steuern zu finanzieren, hatte noch den Charme, die Lasten auf deutlich mehr Schultern zu verteilen. Selbst ein Unionsexperte sagt, die Idee werde „ad absurdum geführt“, wenn man den Ausgleich nun innerhalb der gesetzlichen Kasse organisiert. „Ziel war es doch, die Grundlage zu verbreitern, und nicht, die Prämie egal wie einzuführen.“ Ziel ist jetzt eben nur noch, mehr Geld einzunehmen, und das zusätzlich zu den „Zusatzbeiträgen“. tan
GERINGVERDIENER
Die Frage, wer „Geringverdiener“ ist, ist komplett ungeklärt. Röslers bisheriges Modell (Beitrag runter, Pauschale rauf) war klar zu berechnen: Wer dabei draufzahlen müsste, bekommt einen Ausgleich. Jetzt zahlt jeder mehr. Wo die Grenze gezogen wird, wemdabei geholfen wird, ist völlig offen. Eventuell ist es davon abhängig, wie viel Geld für den Ausgleich überhaupt zur Verfügung steht. Wo auch immer die Grenze gezogen wird: Wer knapp darüber liegt, ist der Gekniffene. So zahlt man beispielsweise bis 1000 Euro nichts, ab 1001 die volle Summe.
NORMALVERDIENER
Wer über der noch unklaren Geringverdiener-Grenze liegt, aber unter der Beitragsbemessungsgrenze von 3750 Euro, für den beträgt die Mehrbelastung genau die Pauschale – also 15 bis 30 Euro imMonat beziehungsweise 180 bis 360 Euro im Jahr. Ungerecht wird es, wenn man die prozentuale Belastung ansieht. Für jemanden mit 1500 Euro Bruttoverdienst wäre die 30-Euro-Pauschale eine Steigerung um sehr happige 25,3 Prozent, für jemanden mit 3000 Euro sind es „nur“ 12,6 Prozent. Bei der 15-Euro-Pauschale sind es 12,6 gegen 6,3 Prozent.
GUTVERDIENER
Für alle freiwillig gesetzlich Versicherten, die über der Beitragsbemessungsgrenze von derzeit 3750 Euro liegen, wird es richtig teuer. Steigt sie wie geplant auf 4150 Euro, sind künftig auch auf jene 400 Euro Differenz Beiträge zu zahlen. Das macht bei dem aktuellen zentralen Beitragssatz von 7,9 Prozent für den Arbeitnehmer im Monat eine Mehrbelastung von 31,60 Euro – also 379,20 Euro im Jahr. Dazu kommt noch die neue Pauschale, die ja ebenfalls zu zahlen ist, also 180 bis 360 Euro im Jahr. Macht also maximal 739,20 Euro im Jahr.
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