Billigeres Benzin für die Bauern

Jetzt schlägt der Milchpreis auf den Spritpreis durch: Weil Lebensmittel so billig sind, hilft die Regierung den Bauern mit Steuersenkungen. Am Grundproblem ändert das aber wenig: den schwankenden Preisen auf dem Weltmarkt.
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BERLIN - Jetzt schlägt der Milchpreis auf den Spritpreis durch: Weil Lebensmittel so billig sind, hilft die Regierung den Bauern mit Steuersenkungen. Am Grundproblem ändert das aber wenig: den schwankenden Preisen auf dem Weltmarkt.

Die Schlange war kilometerlang, der Protest kaum zu übersehen und nicht zu überhören: 6000 Bauern auf Traktoren – das sorgte sogar in der umtriebigen Bundeshauptstadt für Aufsehen.

Und es zeigte Wirkung: Fast zeitgleich zum motorisierten Aufmarsch der Landwirte traten die Fraktionschefs der Regierungskoalition in Berlin vor die Presse. Was sie verkündeten, freute die Protestler: Die Regierung entlastet die Bauern deutlich beim Preis für Agrardiesel. Der Sprit für die Landmaschinen wird bis 2011 nur noch mit 25,6 Cent besteuert. Bislang waren es 40 Cent.

Seit Monaten ist der Milchpreis auf Tauchstation

Grund für das Wahlgeschenk beim Bauern-Benzin: Weil einige Lebensmittel immer billiger werden, geraten viele Landwirte in Existenznot. Besonders hart trifft es die Milchbauern. Seit Monaten ist der Milchpreis auf Tauchstation. Discount-Supermärkte verramschen den Liter frische Vollmilch für 48 Cent, Magermilch gibt’s für 42 Cent. Die Bauern dagegen erlösen derzeit nur 20 Cent für jeden Liter. Von „Schandpreisen“ und „Raubrittertum“ im Handel spricht Bauernpräsident Gerd Sonnleitner deshalb.

Tatsächlich sind Discount-Ketten wie Aldi, Lidl oder Penny im Milchmarkt eine Macht: Bei Milch, Käse, Joghurt oder Butter machen sie mehr als die Hälfte aller Umsätze. „Das nutzt der Handel natürlich derzeit bei den Preisverhandlungen aus“, sagt Manfred Schöpe, Agrarexperte am Münchner Ifo-Institut.

Der eigentliche Grund für den Preisrutsch bei Milch und anderen Lebensmitteln sei aber ein anderer. „Die Agrarmärkte sind international viel offener als früher“, sagt der Experte. Hintergrund ist die EU-Agrarreform. Die mache sich seit zwei, drei Jahren deutlich bemerkbar: „Die Preise schwanken stärker als zuvor.“

„Der Überschuss im Weltmarkt drückt den Preis"

Beispiel Milch: Noch vor anderhalb Jahren jubelten die Bauern über Abnahmepreise von 40 Cent je Liter. Sie führten dazu, dass weltweit zu viel Milch produziert wurde. Nun spüren die Bauern die Folgen. „Der Überschuss im Weltmarkt drückt den Preis“, sagt Ökonom Schöpe. Ähnliche Entwicklungen gebe es bei Getreide, Obst und Speiseölen.

Dass die Bauern deshalb bei den Spritkosten entlastet werden, findet Schöpe richtig. Und auch, dass die Regierung die Direktzahlungen vorziehen will, die die Landwirte normalerweise erst am Jahresende bekommen: „Die Bauern sitzen in der Liquiditätsfalle – und gegen die Preisbewegungen des Weltmarktes lässt sich wenig ausrichten.“

Das werden auch die Verbraucher zu spüren bekommen. Sie müssen ebenfalls mit stärkeren Preisschwankungen leben, so Schöpe. „Dass das Kilo Mehl auch ’mal doppelt soviel kostet wie im Vorjahr, ist künftig ganz normal.“

aja

So haben sich die Lebensmittelpreise entwickelt

Milch, Butter, Joghurt und Eier: -8,5 %

Speisefette und Speiseöle: -6,1 %

Obst: -5,8 %

Brot und Getreide: +1,1 %

Fisch: +2,0 %

Fleisch: +3,9 %

Gemüse: +1,7 %

Kaffee, Tee, Kakao: -1,7 %

Mineralwasser und Fruchtsäfte: -1,7 %

Bier: + 3,2 %

Nahrungsmittel insgesamt : -0,6 %

(Im April, Veränderung im Vergleich zum Vorjahr, Quelle: Destatis)

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