Biegen und Brechen
Verdi benimmt sich ähnlich wie die FDP bei den Steuern: AZ-Redakteurin Anja Timmermann (Verdi-Mitglied) über die Warnstreiks
Natürlich sind satte Lohnerhöhungen etwas Schönes. Genauso wie massive Steuersenkungen. Und in der Tat sind sich Verdi und FDP in ihrer Krawallfreudigkeit und Realitätsblindheit beim Einfordern von Vorteilen für ihre Klientel momentan relativ ähnlich. Wenn es geht, kann man darüber reden – aber es sind eben gerade keine guten Zeiten.
In vielen Firmen der Privatwirtschaft bangen die Menschen gerade um ihre Jobs und ihre Existenz. Oder hoffen, dass sie „nur“ mit Lohnkürzungen davonkommen. Oder sind eh schon auf Kurzarbeit oder gar arbeitslos. In ihren Ohren klingt die Fünf-Prozent-Forderung einer Branche, in der die Jobs vergleichsweise sicher sind, ein bisschen wie Hohn – vor allem die Begründung, sie wollten jetzt auch mal was vom Kuchen. Was meinen sie mit „auch“?
Es gehört zu den Tarif-Ritualen, dass erstens die Arbeitgeber jammern, wie schlecht es ihnen geht – diesmal sind die Kommunen aber tatsächlich nah am Kollaps. Und dass zweitens die Gewerkschaften möglichst hohe Forderungen stellen. Nur: Verdi hat bei seiner Klientel zu hohe Erwartungen geweckt – anders als andere Gewerkschaften, die eher die Zeichen der Zeit sehen und für langfristige Arbeitsplatzsicherung kämpfen statt um ein kurzfristiges sattes Plus.
Und nun versucht Verdi, sie auf Biegen und Brechen mit rasanter Eskalation durchzusetzen – eben mit massivenWarnstreiks schon nach der zweiten Verhandlungsrunde. Zu spüren bekommen es die Bürger: bei der Kinderbetreuung, in den Kliniken, im Nahverkehr. Die Sympathien dafür dürften sehr überschaubar sein.
- Themen:
- Arbeitslosigkeit
- FDP
- Gewerkschaften